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Euro als Pokerobjekt

Von Christa Luft

  • Lesedauer: 3 Min.
»Die viel strapazierte Unterscheidung zwischen maroden Südländern und soliden Nordländern ist brüchig.«
»Die viel strapazierte Unterscheidung zwischen maroden Südländern und soliden Nordländern ist brüchig.«

Eine Hiobsbotschaft jagt die andere: Der »gehebelte« Euro-Rettungsschirm sorgt nicht für die erwartete Ruhe an den Börsen. Nach Griechenland, Italien und Spanien müssen auch »Kernländer« wie Frankreich, Österreich und die Niederlande am Kapitalmarkt höhere Risikoaufschläge zahlen. Deutschland konnte eine zehnjährige Bundesanleihe nicht komplett platzieren. Die viel strapazierte Unterscheidung zwischen maroden Südländern und soliden Nordländern ist brüchig. Beim Streit, ob mit Hilfe gemeinsamer Anleihen (Eurobonds) der Zinsauftrieb für hochverschuldete Staaten gestoppt werden oder ob die Europäische Zentralbank Staatsanleihen der Krisenländer aufkaufen soll, ist kein Ende in Sicht. Frankreich favorisiert die zweite Variante, Deutschland bislang keine.

Die für den Normalbürger kaum nachvollziehbaren Meldungen verdecken Entwicklungen, die die Euro-Krise in Weltwirtschaft und -politik vorantreibt. So geht das Kräftemessen verschiedener Regionen gegenwärtig stark auf dem Währungsgebiet vor sich. Jüngst mussten die Eurostaaten ihre Emissäre mit dem Klingelbeutel in Schwellenländer schicken, um für die »Hebelung« des Rettungsfonds Geld zu erbetteln. An der Spitze der Reiseziele stand das sonst gern der Menschenrechtsverletzung bezichtigte China, dessen Devisenreserven (3,2 Billionen US-Dollar) locken. Ein Großteil davon steckt in US-Staatsanleihen, für die es aktuell kaum Zinsen gibt. Das Reich der Mitte sucht daher nach attraktiveren Anlagemöglichkeiten. Es hat bereits Milliardenbeträge im krisengeplagten Griechenland investiert. Gefürchtet wird ein Crash der Eurozone und das eventuelle Ende des Gemeinschaftsgeldes. Dann wäre wieder der Dollar die alleinige Leitwährung.

Die kürzliche Werbetour des Chefs des Euro-Rettungsschirms nach Peking war aber wenig erfolgreich. Das Vertrauen in die Sicherheit von Euro-Anlagen hat gelitten. Wenn China investieren sollte, dann gewiss nicht ohne Gegenleistungen der EU, z. B. Anerkennung des Landes als Marktwirtschaft, um Anti-Dumpingverfahren gegen Billiganbieter zu erschweren, oder Zulassung der Übernahme europäischer Firmen durch chinesische Unternehmen.

Auch Russlands Gold- und Devisenreserven sind im Visier der Euro-Retter. Das Land hat sich bereit erklärt, mit anderen Schwellenländern über den IWF finanziell an den Rettungsbemühungen für den Euro mitzuwirken. Die Einlösung der Zusage wird ebenfalls daran gebunden, im Gegenzug in der internationalen Organisation mehr Macht zu erhalten.

Die Bundesrepublik und andere europäische Staaten haben lange versucht, den globalen Einfluss vor allem von China und Russland zu begrenzen. Nun müssen sie einen Kniefall vor deren Finanzpolster machen.

Kanzlerin Merkel lässt das Pokern nicht. Sie will Eurobonds nur zustimmen, wenn es im Gegenzug zu Änderungen der EU-Verträge kommt, die ein »Durchgriffsrecht« auf die nationalen Haushalte der Krisenländer schaffen würden. Sie unterschätzt offenbar den darin liegenden politischen und sozialen Sprengstoff. Beim Pokern kann man verlieren. Nur eine rasche Kombination von Eurobonds und wirtschaftlicher Kooperation mit den Krisenländern kann das Überleben des Euro sichern.

In der wöchentlichen nd-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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