Die Brüchigkeit des Erfolgs

Im Studio 44 zeigt Sven Mundt drei »Images of Louise Brooks«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Idee ist gut und mutig: in einer geradezu hysterisch auf Erfolg abonnierten Zeit den Misserfolg zu thematisieren. Sven Mundt tut das am Beispiel einer amerikanischen Filmaktrice, die ebenso mutig war und, unangepasst, den Schlüssel zum Raum für die höheren Weihen verspielte. Louise Brooks (1906-1985) tanzte in den berühmten Ziegfeld Follies in New York, ehe sie Karriere im Stummfilm machte, ab 1928 mit Howard Hawks drehte, Geliebte der Garbo gewesen sein soll.

Dann rief Berlin: Pabsts Wedekind-Verfilmung »Die Büchse der Pandora« von 1929 floppte. Im selben Jahr drehte sie in Frankreich unter Pabst und Clair »Preis der Schönheit«, der zum Tonfilm umgearbeitet wurde. In den USA erhielt sie wegen ihres sündhaften Europa-Intermezzos keine angemessenen Rollen mehr, verließ daraufhin Hollywood, trat in Nachtclubs auf, arbeitete in New York als Verkäuferin, bis ein französischer Filmhistoriker sie in den 1950ern wiederentdeckte. Sie begann zu schreiben, über sich und andere Stars, das Starsystem. Ihr Buch »Lulu in Hollywood« kam 1982 auf die Bestsellerlisten.

In seiner zweistündigen Produktion »Images of Louise Brooks« für das Studio 44 fahndet Mundt Brooks‘ Schwestern im Leid nach, Künstlerinnen, die ein ähnliches Schicksal erlitten. Drei von ihnen hat er für sein Projekt begeistern können. Einzeln erzählen sie ihre Geschichte, so einzigartig wie jede Trägerin. Unterm Scheinwerfer sitzt Candy Clark in schwarzem Overall auf einem Stuhl, berichtet leidenschaftslos, wie ihr Weg verlief. In Oklahoma kam sie 1947 zur Welt, wuchs in Texas ärmlich auf. Der Vater Alkoholiker, die Mutter mit ihren fünf Kindern überfordert. Mit Neun wünschte sich Candy, Picasso zum Freund zu haben, zweimal war sie nur kurz verheiratet. Im New York der psychedelischen 1960er begann sie zu modeln, nahm Drogen und Alkohol, ernährte sich von Milch mit Sirup.

Nach etwas Schauspielunterricht, wo sie sich mit Jeff Bridges mehr als anfreundete, und peinlichem Vorsprechen entdeckte sie John Huston. Lucas‘ »American Graffiti« von 1973 brachte ihr eine Nominierung für den Oscar als beste Nebendarstellerin ein. Dann 1976: »Der Mann, der vom Himmel fiel« mit David Bowie, Clark in den USA auf Werbetour für einen im Schnitt verstümmelten Film, zwar in erstklassigen Hotels, aber entnervt vom Lügen für die Firma. Jahre danach wurde die ungekürzte Version Kult. Clark spielte indes fortan in weniger ambitionierten Filmen, errang 1984 einen Nebendarsteller-Preis. Im Studio 44 setzt sie sich still ins Auditorium, lauscht mit den Zuschauern der zweiten Story.

Auf High Heels stöckelt Marta Oldenburg herein, knabenhaft dünn und mit rotbrauner Lockenpracht. Schweigend schminkt sie sich zu der Figur, die sie, 15 Jahre jünger als Candy, beinah zwei Dezennien lang war. Dann kleidet sie sich bis auf den schwarzen Slip aus, besieht kritisch ihren Körper, zeichnet schwarz die Stellen an, die sie wahnverfallen korrigiert wünscht. Flamenco tanzte sie, sagt sie dann, wollte auf Tango umsteigen, bis sie auf den belgischen Regisseur Michael Laub traf.

Was sie dann zu tanzen hatte, zeigt sie: stupid monotone Folgen, gogogirlhafte Anmache bis zur Erschöpfung. Auf wild und sexy legte jener »Perfektionist des Unperfekten« sie fest, trieb sie weit fort von dem, was sie eigentlich wollte. Ihr Vater war Maler, die Mutter mit jüdischem Hintergrund stammte aus Berlin. Marta, schön noch immer, drohte abzurutschen, befreite sich von ihrem Image, trat jüngst in einer Hairshow auf. Und setzt sich neben Candy.

Pumps trägt auch Sonchai Körner als Jüngste im Trio, dazu jenen Pagenkopf, für den Brooks berühmt war, überlegt gründlich. Dann bricht es wie eine Sturzflut aus ihr heraus: Mutter hatte einen Obststand in Bangkok, ihre Tochter wurde als Krüppel in Thailand geboren, verliebte sich in Jungs vom Zirkus, besuchte eine Musicalschule. So schnell redet Körner, dass sich die Aussagen zunehmend verwirren: vom Trip nach Paris auf der Suche nach Revolte; dass sie sich wohl fühlte, wo sie nichts zu erwarten hatte. Ob sie über sich oder eine fiktive Person spricht oder gar Brooks meint, deren Frisur sie am Ende ablegt, bleibt offen. Damit sackt ein Abend, der mit dokumentarischer Schlichtheit berührte, ins Ungefähre ab. Schade nicht nur für Louise Brooks.

Bis 19.12., 19.30 Uhr, Studio 44, Klosterstr. 44, Mitte, Kartentelefon 42 08 41 61, Infos unter www.iolb.de

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