Schnee und Schönheit zum Fest

Im Friedrichstadt-Palast wird zu Weihnachten »berlin ERLEUCHTET«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Druck auf die Macher ist sicher enorm hoch: Jede neue Show im Friedrichstadt-Palast soll besser sein als ihre Vorgänger, die ebenfalls in Superlativen beworben wurden. So hörte man auch vom Weihnachtsprogramm, es sei das größte und aufwändigste in der Geschichte des Revue-Tempels. Das hatte bereits Folgen, wie Intendant Bernd Schmidt kurz vor der Premiere verkündeten konnte: Zu 94 Prozent sind die 42 Vorstellungen bis zum Fest ausverkauft, kaum mehr 5000 Karten warten auf ihre Kunden.

Da heißt es also, schnell zu sein. Denn wer versäumt, was über Europas größte Showbühne geht, beraubt sich eines attraktiven Weihnachtspräsents. »berlin ERLEUCHTET« setzt bereits im Titel Akzente. Was zweieinhalb Stunden die Szene erhellt, sie mit Lichteffekten aller Art überzieht, ist schlichtweg einzigartig. Die Geschichte, wie sie das bewährte Team Jürgen Nass & Roland Welke erdacht hat, fungiert nur als Rahmen, in dem sich Show in ihrer besten Form entfalten kann.

Natürlich dreht sich alles ums Fest, wie es sich die kleinen und großen Kinder wohl wünschen. Schnee soll fallen, möchte Paul, doch sein Hase schweigt, und auch der TV-Wetterbericht gibt wenig Hoffnung. Die Möbel schweben hinweg, die Tischdecke tanzt, die Schneefee und ihr Begleiter treten in Aktion. Und auch Pauls Schneehase kann plötzlich sprechen. Mit ihm bereisen der Junge und all die Zuschauer das Revue-Land der vorweihnachtlichen Sehnsüchte. Transportiert werden sie wieder überwiegend vom Ballett. Sechs Choreografen statten die vielen Bilder mit ihren ganz eigenen Handschriften aus und sorgen für ein Maximum an Abwechslung. Dabei unterstützt sie jede Menge Bühnentechnik. Aus dem Grund fahren die Akteure auf, schreiten Stufen hinab, drehen sich mit der Szene. Zentrum in Jürgen Schmidt-Andrés Bühnenbild ist aber eine fast bühnenbreite Treppenkonstruktion, die aufleuchten kann und den diversen Auftritten ihren rechten Schick gibt.

In Natricia Bernards Opening sind lebende Weihnachtsbäume Partner der Frauen, wachsen Hasenköpfe aus dem Boden, fallen Sternschnuppen. Nahtlos eingebaut wie Konstantin Sherstnevs so flüssiger wie trickreicher Tanz im rollenden Rad sind auch die weiteren artistischen Attraktionen. Eric Gauthier etwa fügt die rumänische Troupe Almas mit ihrer engelhaften Luftakrobatik in Glaskugeln seinem getanzten »Hallelujah« derart perfekt ein, dass die Genres Akrobatik und Ballett schier verschmelzen. Und Alexandra Georgieva lässt die Frauen in weiten Capes und mit viel Licht wie bunte Schmetterlinge wirbeln. Wenn viele der Begleittitel einprägsam sind, auch einfühlsame deutsche Texte haben, ist das vornehmlich Anja Krabbe, Frank Kretschmer, Daniel Behrens zu danken.

Als neuer Stern am Choreografenhimmel scheint Aliaksei Uvarau aufzugehen: Seine im Marschrhythmus tanzenden und trommelnden rund 30 Silberroboter formen sich zu einem der nachhaltigsten Bilder; sein Girlstanz, wie er sich aus der Dreiecksformation auf der Treppe grandios entwickelt, beweist, dass dem wieder umjubelten Defilee schwenkender Reihen noch immer Potenzial innewohnt. Uta Lohers & Conny Lüders‘ Kostüme, den ganzen Abend lang hinreißend schön, tun ein Übriges: Die langbeinigen Girls in ihren golden flimmernden Maillots sind einfach umwerfend.

Passend zum Fest entwarf Maik Damboldt eine witzige Parade für fast 40 Weihnachtsmänner vor der Pause, leitet dann den zweiten Teil mit einem Weihnachtsmarkt der Träume ein, mit Stelzenläufern, Schaukelpferd, Karussell, schwebenden Ballerinen. Von Tatyana Ostroverkh stammt eine atmosphärische, in ihrem Schwarzsilber bestechende Schachsuite um ein prächtig bäumendes Pferd. Wenig Artistik spielt mit, die aber höchstkarätig. Was die Zhengzhou Performance Company aus China an halsbrecherischen Sprüngen an schwingenden Masten serviert, hat man so noch nicht gesehen, und auch die Äquilibristik des Russen Maxim Popazov auf Stühlen, dürfte einmalig sein.

Ein Hauch von Weihnachts-Karneval in Rio liegt über Bernards Finale nach Händel-Musik. Meterhohe Flügel, für jeden Tänzer in anderer Form, schmücken die vielen Engel. Amber Schoop als genussreich singende Schneefee und ihr Begleiter Fabrizio Levita haben da nochmals großen Auftritt. Jürgen Nass‘ Regie mit ihren spektakulären Effekten triumphiert in einer schönheitstrunkenen Revue der Sonderklasse.

Bis 26.12., Friedrichstadt-Palast, Friedrichstr. 107, Kartentelefon 23 26 23 26.

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