Die Forschung geht, die Verfahren bleiben

Die Gentechnik zieht sich aus Deutschland zurück - deren Gegner stehen weiter vor Gericht

  • Winfried Wagner, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Chemiekonzern BASF will seine Forschung an grüner Gentechnik in die USA verlagern. Das feiern Gentechnik-Gegner als Erfolg. Wegen ihres Widerstandes müssen sie sich aber immer noch vor Gerichten verantworten.

Neubrandenburg/Waren. Die Genpflanzen-Forschung wandert aus Deutschland ab - aber der Streit um grüne Gentechnik beschäftigt weiter die Justiz. So müssen sich in einer Berufungsverhandlung am 3. Februar zwei Gentechnik-Gegner vor dem Landgericht Neubrandenburg verantworten, im Mai plant das Amtsgericht Waren eine Verhandlung wegen Hausfriedensbruchs und versuchter Nötigung gegen sieben Beschuldigte, die 2010 ein Kartoffellager in Bütow im damaligen Müritzkreis blockierten, wie Gerichtssprecher sagten. »In der Berufung wird zu klären sein, ob es strafrechtlich geahndet werden muss, wenn jemand Biokartoffeln auf ein Feld wirft, das für einen Genkartoffelanbau vorgesehen ist«, sagte Landgerichtssprecher Carl Christian Deutsch. In erster Instanz waren die beiden Kartoffelwerfer zu Geldstrafen verurteilt worden.

Die Protestaktionen richteten sich gegen den jahrelangen Versuchs- und 2010 auch gegen den von der EU genehmigten kommerziellen Anbau der gentechnisch veränderten Stärkekartoffel Amflora durch Kartoffelzüchter Hans-Heinrich Niehoff rund um Bütow. Gentechnik-Gegner versuchten den Anbau mit Lagerblockaden, Kartoffelwürfen und dem Ausreißen von Pflanzen zu verhindern. Das gelang zwar nicht, aber die Polizei musste die Felder mit großem Aufwand sichern. Seit 2011 wurden keine Amflora-Stärkekartoffeln mehr in der Region angebaut.

Nicht nur das: Mitte Januar teilte der weltgrößte Chemiekonzern BASF mit, dass er den europäischen Pflanzenbiotechnologie-Markt weitgehend aufgebe. Der Sitz des Tochterunternehmens für grüne Gentechnik werde von Limburgerhof bei Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) in die USA verlegt. In weiten Teilen Europas fehle noch immer die Akzeptanz bei der Mehrheit der Verbraucher, Landwirte und Politiker für die Pflanzenbiotechnologie, hieß es zur Begründung.

Das bedauert Niehoff. »Die Forschung wird weitergehen, aber ob die Risiken in anderen Ländern genauso akribisch untersucht werden wie in Deutschland, ist fraglich«, sagte der Fachmann. Die Ergebnisse der Genforschung in den USA würden aber trotzdem in Europa auf Tisch und Teller kommen, dazu sei der Welthandel zu vernetzt.

Zu den Gerichtsverhandlungen will Niehoff nicht fahren. »Da kommt doch nirgendwo was raus«, zeigte er sich enttäuscht. Noch beim ersten Verfahren gegen die beiden 41 und 22 Jahre alten Kartoffelwerfer war ein Vertreter seines Betriebs als Zeuge dabei. Die Gentechnik-Gegner hatten gegen seinen Willen Bio-Saatkartoffeln auf das 2009 bundesweit einzige, aber noch nicht bestellte Versuchsfeld geschleudert und die Knollen vergraben. Die Fläche musste ausgespart werden. Das Gericht verurteilte die Werfer wegen Nötigung zu Strafen von 300 und 200 Euro. Die Staatsanwaltschaft wollte höhere Strafen, die Verteidigung Freispruch.

Jetzt folgt die nächste Instanz. Es müsse grundsätzlich geklärt werden, ob solche Störaktionen als Sachbeschädigung gewertet und strafrechtlich verfolgt werden können oder nicht, forderte Oberstaatsanwalt Gerd Zeisler.

Vor dem Amtsgericht Waren sollen sich drei Frauen und vier Männer verantworten, die sich 2010 an einer Greenpeace-Blockade am Bütower Kartoffellager beteiligt hatten. Die Betroffenen hatten sich laut Staatsanwaltschaft mit Schlössern an ein Tor gekettet und sogar einen Arm einbetoniert, um die Auspflanzung zu verhindern. Sie sollten Geldstrafen zwischen 400 und 600 Euro zahlen, lehnten das aber ab. Die Gentechnik-Gegner, die aus mehreren Bundesländern kommen, hoffen auf einen Freispruch. Den hatte es zuletzt Ende 2011 gegeben: Das Amtsgericht Waren hatte einen sogenannten Feldbefreier vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen. Das Feld sei nicht so weit eingefriedet gewesen, dass ein widerrechtliches Betreten erkennbar gewesen sei, hieß es. Zudem sei das Feld durch das Ausreißen von 18 Pflanzen nicht in seiner Substanz gefährdet gewesen.

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