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Nächstenliebe als Lebenswerk

Die in Görlitz geborene Hildegard Burjan wird an diesem Sonntag seliggesprochen

  • Anett Böttger, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Intensiv und selbstlos lebte Hildegard Burjan. Die Akademikerin, Ehefrau, Mutter, Politikerin und Christin wurde nur 50 Jahre alt. Doch sie hinterließ in Europa tiefe Spuren.

Görlitz. Der Kampf gegen Kinderarbeit, Hilfe für Hungernde und Arme oder der Einsatz für die Gleichberechtigung der Frau - aufopferungsvoll wirkte die Katholikin Hildegard Burjan (1883-1933) im Dienste der Kirche. 1919 gründete die promovierte Mutter einer Tochter ihr Lebenswerk: die Schwesterngemeinschaft »Caritas socialis«, in der sich Frauen für Notleidende einsetzen. Nun wird Burjans Engagement in besonderer Weise geehrt - mit ihrer Seligsprechung am 29. Januar in Wien. Der festliche Akt im Stephansdom rückt auch Görlitz in den Fokus. Dort kam sie zur Welt.

Nur zwölf Jahre lebte sie in der Neißestadt, bevor die Eltern mit ihr nach Berlin zogen. »In ihrer Erziehung spielte der Glaube keine Rolle«, sagt der Bischof des Bistums Görlitz, Wolfgang Ipolt, über Burjan. Sie wuchs in einer jüdischen Familie auf, die ihre Religion allerdings nicht aktiv lebte. Als junge Frau erkrankte Hildegard Burjan schwer. Die Ärzte hatten sie nach mehreren Operationen aufgegeben, ihre Heilung grenzte an ein Wunder. Burjan ließ sich daraufhin taufen und nahm den katholischen Glauben an. »Sie wäre wohl am liebsten in einen Orden eingetreten, wenn sie zu diesem Zeitpunkt nicht schon verheiratet gewesen wäre«, glaubt der Bischof.

1909 ging die studierte Philosophin mit ihrem Mann, einem ungarischen Ingenieur, nach Wien. Dort brachte sie auch ihr einziges Kind, Elisabeth, zur Welt. 1919 zog sie als erste christliche Frau ins österreichische Parlament ein. In der zweijährigen Abgeordnetenzeit macht sie sich für Frauen, Arme und Benachteiligte stark, bevor sie sich schließlich im gleichen Sinne ganz auf »Caritas socialis« konzentriert. Die Gemeinschaft katholischer Frauen führt heute unter anderem drei Pflege- und Sozialzentren in Wien, Kindergärten und Horte sowie ein Wohnheim für Mutter und Kind.

Von Österreich aus hat sich »Caritas socialis« bis nach Deutschland, Ungarn, Italien und Brasilien ausgebreitet. Überall dort wirken Schwestern der religiösen Gemeinschaft. Die Suche nach den Wurzeln der Gründerin führte nach dem Mauerfall auch nach Görlitz. 1999 zogen zwei Mitstreiterinnen von »Caritas socialis« genau dort ein, wo Hildegards Familie einst unweit der Altstadt lebte. Martina Theiner und Ulrike Gorfer teilen sich heute die Wohnung. Die eine arbeitet als katholische Seelsorgerin im Görlitzer Klinikum, die andere - bereits pensioniert - besucht ehrenamtlich Senioren und kranke Menschen.

»Wir sind weltoffen und deshalb in Zivil«, sagt Schwester Martina, die in Südtirol aufwuchs. »Caritas socialis« kommt ohne Klausur und Ordenstracht aus. Allerdings wollen die Schwestern ihre Kraft in den Dienst der Gemeinschaft stellen und verpflichten sich daher zur Ehelosigkeit. Sie kümmern sich um hilfsbedürftige Menschen, unabhängig von deren Konfession und Glauben, »Wir machen keine Unterschiede«, betont die Seelsorgerin, die einmal in der Woche auch im Görlitzer Altenpflegeheim »Hildegard Burjan« anzutreffen ist.

Das Haus mit 60 Plätzen in katholischer Trägerschaft öffnete 2001 bereits unter diesem Namen. Auch die erst kürzlich bezogene Wohnanlage für Demenzkranke gleich daneben und ein Platz in der Innenstadt sind nach der Frau benannt, die in ihrem Glauben eher schlicht und einfach blieb, wie Bischof Ipolt einschätzt. Das Kardinalskollegium in Rom hatte im Juni 2011 das für die Seligsprechung notwendige Wunder anerkannt. Eine Frau, die sich an Hildegard Burjan gewandt hatte, schenkte später drei gesunden Kindern das Leben. Nach mehreren Operationen war dies als medizinisch nicht erklärbar angesehen worden.

Mit der Seligsprechung in Wien werde gewissermaßen bestätigt, dass Hildegard Burjan das Ziel des ewigen Lebens erreicht habe, erklärt der Bischof. Er wird ebenso wie Oberbürgermeister Joachim Paulick (parteilos) zu der Delegation gehören, die für den feierlichen Akt von der Neiße an die Donau reist. »Wir sind sehr stolz, dass einer Görlitzerin diese große Ehre zuteil wird«, sagt Paulick.

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