Garzón spaltet Spanien

Urteil wegen Rechtsbeugung gegen den Richter wühlt das Land auf

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Kritiker sehen im Urteil gegen Baltasar Garzón eine politische Abstrafung für die Verfahren gegen konservative Politiker. Der spanische Untersuchungsrichter ist jedoch keineswegs unumstritten.

Das Urteil gegen den spanischen Ermittlungsrichter Baltasar Garzón war kaum gesprochen, da wurde zum Protest gerufen. Am Donnerstagabend versammelten sich Hunderte Menschen im Zentrum von Madrid, um gegen die »Schande« eines »politischen Prozesses« zu demonstrieren. Garzón war am Mittag wegen »permanenter Rechtsbeugung« zu elf Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Der 56-Jährige, der bereits vom Dienst suspendiert war, verliert damit seinen Posten.

Einstimmig hatten sieben Richter am Obersten Gerichtshof geurteilt, dass Garzón Verteidigerrechte ausgehebelt hat, weil er Gespräche von Anwälten mit inhaftierten Klienten abhören ließ. Das gäbe es nur »in totalitären Regimes«, in denen alle Mittel eingesetzt werden, »um an Informationen zu kommen«, heißt es im Urteil. »Mögliche Einschränkungen« von rechtsstaatlichen Verteidigerrechten müssten »besonders gerechtfertigt werden«, was Garzón auch nachträglich nicht gelang. Er hatte im Verfahren erklärt, die Anwälte hätten unter Verdacht gestanden, den Verdächtigen zu helfen, Gelder in Sicherheit zu bringen und ihre kriminellen Aktivitäten weiterzuführen. Für diesen Verdacht allerdings hatte es offenbar keinen Anlass gegeben.

An der Sachlage in dem Fall gibt es kaum etwas zu rütteln, auch wenn Garzón angekündigt hat, bis zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ziehen zu wollen. Trotzdem kann von einem politischen Prozess gesprochen werden, denn Garzón hatte gegen korrupte Politiker der konservativen Volkspartei (PP) ermittelt, die nun seit dem vergangenen November Spanien regiert. Dabei spielte offenbar auch illegale Parteienfinanzierung eine Rolle. Der inhaftierte Pablo Crespo, einst führend unter Ministerpräsident Mariano Rajoy in der PP-Regionalregierung Galiciens tätig, hatte zu seinem Anwalt gesagt, dass Auslandskonten in der Schweiz die Partei vor »große juristische Probleme« stelle.

Die Pro-Garzón-Demonstranten behaupten, der Richter werde nur angeklagt, weil er gegen die Volkspartei vorgegangen sei und damit begonnen habe, etwas Licht in die Verbrechen der spanischen Diktatur zu bringen, von der sich die PP nie distanziert hat. Weil er auch Massengräber öffnen lassen wollte, wird gerade erneut gegen ihn wegen Rechtsbeugung verhandelt. »Faschisten raus aus dem Obersten Gerichtshof«, riefen die Verteidiger von Garzón deshalb in Madrid. Sie sehen in der Tatsache, dass drei solcher Verfahren gegen Garzón angestrengt wurden, einen Beweis dafür, dass ein unbequemer Richter abgesägt wird.

Kurios ist auch die Urteilsbegründung, dass nur in totalitären Regimes Verteidigergespräche abgehört würden. In Spanien ist das bei Terrorismusvorwürfen ausdrücklich erlaubt. Dabei dürfen Verteidigerrechte ausgehebelt werden, was Garzón auch ausgiebig tat. So hatte er 1998 sogar eine baskische Zeitung und ein Radio - - geschlossen, während er zugleich den chilenischen Diktator Pinochet festsetzen ließ. Während er sich als Verteidiger der Menschenrechte zeigte, verletzte er zugleich im Baskenland fundamentale Grundrechte, stellte der Oberste Gerichtshof bereits 2009 fest. Folgen hatte das nicht, weil Garzón in seinem Feldzug gegen die baskische Linke im Einklang mit der Politik der auch damals regierenden PP stand.

Alle diese Verfahren sind Ausdruck einer politisierten Justiz in Spanien. So ist es kein Zufall, dass Garzón die Ermittlungen gegen Korruption und Franquismus erst dann startete, nachdem er sich mit der PP überworfen hatte und die Sozialisten 2004 wieder an die Macht kamen. Der PSOE nutzte das im Kampf gegen die große Oppositionspartei. Deshalb wollte auch das Ministerium für Staatsanwaltschaft Garzón wegen der illegalen Abhörmaßnahmen nicht belangen und forderte Freispruch.

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