Tierstation in Not?

Geldsorgen bei Berlins Ambulanz für hilfsbedürftige Wildvögel / Anja Sorges ist Geschäftsführerin des Landesverbandes Berlin des Naturschutzbundes (NABU), der die Tierpflegestation betreut

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Tierstation in Not?

nd: Die Berliner Tierpflegestation ist aufgrund ihrer finanziellen Lage akut in ihrer Existenz bedroht. Wie konnte es dazu kommen?
Sorges: Die Station existiert seit circa 15 Jahren und wird vor allem durch Spenden und den NABU finanziert. 2010 brach leider ein bedeutender Sponsor weg, seitdem sind wir in finanzieller Bedrängnis.

Warum hilft Ihnen der Senat nicht aus?
Das Problem ist das Kompetenzgerangel der Behörden: Seit zwei Jahren wird die Diskussion geführt, ob die für Tierschutz zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit und Verbraucherschutz oder die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verantwortlich ist, die den Artenschutz betreut. Vor der letzten Wahl gab es wenigstens einen Dialog, jetzt müssen wir bei null anfangen. Der Senat fühlt sich jedenfalls nicht verpflichtet, uns zu helfen. Das Thema Wildtierpflege steht ohnehin nur butterweich und unverbindlich im Koalitionsvertrag.

Welche Folgen hätte das Ende der Tierstation?
Jedes Jahr betreuen und pflegen wir 1500 verletzte und gefährdete Vögel und sind Beratungsstelle für 3000 Bürger, die verletzte Tiere gefunden haben. Der Senat ist sich anscheinend nicht einmal annähernd bewusst, was auf ihn zukommt. Das Problem verschwindet ja nicht, nur weil es die Tierstation vielleicht nicht mehr gibt.

Sie warnen vor der »Rückkehr zu untragbaren Zuständen«. Wie sahen diese konkret aus?
Auch bevor es unsere Station gab, war die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung bereits stark ausgeprägt. Trotzdem kam es jedoch ohne eine Beratungsstelle oft zu ungewollter Tierquälerei. Die Laienhelfer nahmen die Vögel etwa mit nach Hause, behandelten sie falsch und steckten sie in nicht artgerechte Käfige.

Sie berichten von einer stetig steigenden Zahl hilfsbedürftiger Vögel. Wie kommt es dazu?
Im Jahr 2010 lag dies an den besonders hohen Temperaturen im Sommer. Da kümmerten wir uns zusätzlich um 200 Mauersegler, die wir in adoptionsfähigen Nestern untergebracht haben. Auf der anderen Seite steigt das Bewusstsein der Bevölkerung für ihre Umwelt. Deshalb werden verletzte Tiere häufiger gemeldet.

Was macht die Tierstation besonders erhaltenswert?
Unser Ziel ist eine »Reha« für die Vögel, das heißt die Wiederauswilderung. Durch unsere langjährige Erfahrung erzielen wir eine sehr gute Erfolgsquote.

Wie kann die Bevölkerung sie unterstützen?
Auf Geldspenden und ehrenamtliches Engagement sind wir weiter angewiesen. Um die drohende Schließung der Tierstation abzuwenden, fordern wir die Berlinerinnen und Berliner jedoch auf, direkt beim Regierenden Bürgermeister gegen die Untätigkeit und das Kompetenzchaos bei den Senatsstellen zu protestieren. Je früher und je heftiger dies geschieht, desto besser! Unsere »Galgenfrist« läuft spätestens im Juni ab.

Fragen: Kai Schubert

Informationen zur Unterstützung des NABU finden Sie unter: berlin.nabu.de/projekte/wildtierpflege/14633.html

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