Wade will nicht gehen

Neue Ausschreitungen bei Präsidentschaftswahl in Senegal befürchtet

  • Louisa Prause, Dakar
  • Lesedauer: 3 Min.
Überschattet von Protesten gegen Staatschef Abdoulaye Wade, findet am Sonntag die Präsidentenwahl in Senegal statt. Der 85-jährige Wade kandidiert für eine dritte Amtszeit. Vor allem junge Demonstranten fordern seinen Rückzug aus der Politik.

Nach einem hitzigen Wahlkampf ist die senegalesische Bevölkerung am Sonntag aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. 14 Kandidaten treten im ersten Wahlgang an, darunter der amtierende Präsident Abdoulaye Wade. Dessen neuerliche Kandidatur wird von der Opposition nicht anerkannt, weil die Verfassung nur zwei Amtszeiten zulässt. Das Verfassungsgericht hatte jedoch Ende Januar Wades Kandidatur zugestimmt, da die Klausel erst während seiner ersten Amtszeit eingeführt wurde. Seitdem kam es fast täglich zu Straßenkämpfen zwischen Demonstranten und der Polizei. Mindestens sechs Menschen starben, zahlreiche wurden verletzt oder verhaftet.

Zu den Demonstrationen rief das Bündnis M23 auf, das die oppositionellen Präsidentschaftskandidaten und Organisationen der Zivilgesellschaft vereinigt. Die Demonstranten versuchten, zum Unabhängigkeitsplatz im Zentrum der Hauptstadt Dakar vorzudringen, der von der Polizei rigide abgeschirmt wird. Seit Juli 2011 sind sämtliche Demonstrationen im Gebiet der Innenstadt verboten.

Der Koordinator von M23, der Menschenrechtsaktivist Alioune Tine, und mehrere Präsidentschaftskandidaten hatten aufgrund der Ausschreitungen wiederholt gefordert, den ersten Wahlgang zu verschieben. Gewaltsame Vorwahlproteste sind ein neues Phänomen in Senegal. Die beiden Machtwechsel, die das Land bisher erlebt hat, verliefen friedlich. Auch deshalb ist das Entsetzen über die Demonstrationsverbote und das rabiate Vorgehen der Sicherheitskräfte groß. Vor allem in Dakar haben viele Menschen Angst vor neuen Ausschreitungen .

Abdoulaye Wade führte seinen Wahlkampf unbeirrt fort und wirkte dabei von der Realität in Senegal weiter entfernt als je zuvor. Mit zittriger Stimme erklärte der 85-Jährige, er sei der Kandidat der Jugend. Wades Aussichten für ein gutes Abschneiden im ersten Wahlgang stehen nicht schlecht. Er hat die staatlichen Medien hinter sich und mehrere Millionen Euro in den Wahlkampf investiert. Zu seinen Veranstaltungen kamen Tausende. Ob bezahlte Jubler, wie die Opposition behauptet, oder echte Unterstützer des Präsidenten, lässt sich schwer ausmachen.

Die Opposition dagegen ist zerstritten. Von den 13 Gegenkandidaten sind die ehemaligen Ministerpräsidenten Idrissa Seck und Macky Sall, Ousmane Tanor Dieng von der Sozialistischen Partei PS und Moustapha Niasse, offizieller Kandidat der Koalition Benno Siggil Senegal, die aussichtsreichsten. Keiner von ihnen konnte sich jedoch während des Wahlkampfes als Favorit hervortun.

Wirklich gefährlich hätte für Wade der international bekannte Sänger Youssou N'Dour werden können. Seine Kandidatur war aber vom Verfassungsgericht nicht zugelassen worden, weil N'Dour nicht genügend gültige Unterschriften gesammelt haben soll.

Einen ehrlichen Sieg im ersten Durchgang trauen Wade nur wenige zu. Sollte keiner der Kandidaten am Sonntag mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichen, wird es eine Stichwahl Mitte März zwischen den beiden Kandidaten geben, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben.

Egal wie das Ergebnis der Wahl am Sonntag aussieht, spätestens am Tag der Ergebnisverkündung droht sich die Krise zwischen Opposition und Regime zuzuspitzen. Das Bündnis M23 hat angekündigt, ein Resultat, das Wade zum Sieger erklärt oder auch nur für den zweiten Wahlgang zulässt, nicht zu akzeptieren. Die Jugendbewegung »y’en a marre« (Wir haben die Schnauze voll) kämpft nur noch für ein Ziel: den Präsidenten aus dem Amt zu jagen. Wade wird vermutlich alles tun, um an der Macht zu bleiben. Gerüchte von gefälschten Wählerlisten und falschen Wahlbüros brodeln.

Am Dienstag traf die Wahlbeobachtermission der Afrikanischen Union und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ein. Chef der Mission ist der ehemalige nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo, der bereits angekündigt hat, gegebenenfalls eine aktivere Rolle als die des reinen Beobachters zu spielen. Viele hoffen, dass er einen friedlichen Abgang von Wade aushandeln kann.

Obasanjo selbst wurde durch eine starke Oppositionsbewegung und internationalen Druck gezwungen, 2007 nicht ein drittes Mal zur Präsidentschaftswahl anzutreten. Unter den afrikanischen Regierungschefs, die ihn zum Rückzug zwangen, war auch Abdoulaye Wade.

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