Heringe strömen in die Küstengewässer

Die besten Fänge für Ostseefischer seit 1990

  • Martina Rathke, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Winter war heftig, aber kurz. Nach 21 Tagen ist das Eis in den Küstengewässern der Ostsee geschmolzen. Die Heringe strömen zum Laichen in die Bodden - sehr zur Freude der Fischer. Das Fischwerk Sassnitz und die Schleppnetzfischer verzeichnen Rekordanlandungen.

Stahlbrode/Sassnitz. Die deutschen Schleppnetzfischer fahren in der Ostsee seit Wochen außergewöhnlich gute Heringsfänge ein. Nun sind auch die vorpommerschen Küstenfischer im zweiten Anlauf in die Heringssaison gestartet. Nachdem die Gewässer im Greifswalder Bodden und Strelasund weitgehend eisfrei sind, liefen am Montag allein von der Fischereigenossenschaft in Stahlbrode drei Kutter zum Heringsfang aus. Rund 1,7 Tonnen Silberlinge brachten die Kutter gegen Mittag in den Hafen. »Das ist schon ordentlich«, freute sich der Chef der Stahlbroder Fischereigenossenschaft, Bernd Schütze. Auch in Greifswald ging am Montag der erste Kutter auf Probefang und zog 600 Kilogramm Hering an Bord. »Das kann sich sehen lassen«, resümierte der Leiter der Fischereigenossenschaft »Greifswalder Bodden«, Ingo Ohlert, die ersten Fänge.

Die Schleppnetzfischer, die seit Anfang Januar auf der freien Ostsee dem Hering nachstellen, melden inzwischen den besten Saisonstart seit der Wiedervereinigung. In der Ostsee vor Rügen habe es Spitzenfänge von bis zu 100 Tonnen pro Nacht gegeben. Einzelne Fischer nähern sich bereits der Ausschöpfung ihrer Jahresquote, teilte der Verband der Kutter- und Küstenfischer am Montag in Hamburg mit. Die deutsche Heringsquote in der Ostsee liegt bei 11 532 Tonnen und damit rund 30 Prozent über dem Vorjahresniveau. Nach vier Jahren drastischer Kürzungen war die Quote erstmals wieder angehoben worden.

Die kleineren Küstenfischer hatten ebenfalls bereits im Januar mit der Stellnetzfischerei begonnen. Wegen des Frosteinbruches, der innerhalb weniger Tage die Küstengewässer unter einer geschlossenen und bis 20 Zentimeter dicken Eisdecke erstarren ließ, mussten sie Ende Januar eine einmonatige Zwangspause einlegen. Das Wintermärchen ist nun vorbei. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) meldete am Montag in seinem letzten Eisbericht dieses Winters weitgehend eisfreie Gewässer. Bis auf ein Nachtfahrverbot sind alle Beschränkungen für die Schifffahrt aufgehoben.

»Es ist ausreichend Hering da«, sagte Ohlert in Richtung der Fischereibiologen, die für 2012 eine erneute Absenkung der Ostseequoten gefordert hatten. Das Euro-Baltic-Fischwerk in Sassnitz, eines der größten europäischen Fischverarbeitungswerke, verzeichnet derzeit Rekordanlandungen aus der Schleppnetzfischerei. »Die Einzelanlandungen für eine Tuckpartie liegen bei 70 bis 80 Tonnen«, sagte Betriebsleiter Uwe Richter - eine Tuckpartie ist ein Gespann aus zwei Kuttern, die gemeinsam Schleppnetze ziehen. »So etwas hatten wir seit der Werkseröffnung im Jahr 2003 nicht.« In den vergangenen Jahren hätten die durchschnittlichen Anlandemengen bei 20 bis 40 Tonnen gelegen.

Im Werk werden je nach Wetter täglich zwischen 80 bis 200 Tonnen Schleppnetzhering angelandet und verarbeitet. Aus der Stellnetzfischerei werden in den kommenden Wochen Anlandungen von bis 200 Tonnen täglich erwartet.

Auch die Preise stimmen die Fischer zuversichtlich. Die Preise für den Schleppnetz- und den Reusenhering seien in Abhängigkeit von der Größe um bis zu 20 bis 25 Prozent gestiegen. Für den Stellnetzhering werde das ohnehin bereits hohe Preisniveau des Vorjahres gehalten, sagte Richter. Die guten Preise begründen sich zum einen in der hervorragenden Qualität des Herings, zum anderen in der starken Nachfrage. Denn während die Fangmengen für den Ostseehering stiegen, seien die Quoten für den atlanto-skandischen Hering stark abgesenkt worden.

Die Fischer hoffen, dass der Frühling die Boddengewässer nur langsam zum Erwärmen bringt. »Je kälter die Wassertemperatur, desto fester die Konsistenz des Fisches«, sagte Fischer Bernd Schütze. Allerdings berichtet der Fischereiverband von zunehmenden Fressschäden durch Robben.

Die Fischereigenossenschaft in Stahlbrode liefert ihren Fisch nach Stralsund und ins Sassnitzer Fischwerk. Abnehmer der Greifswalder und Freester Fischer ist die dänische Skagerak Fiskeeksport. Sie arbeiten derzeit mit angezogener Handbremse und warten auf das Okay der Dänen, die vor allem an dem Hering mit reifem Rogen interessiert sind. »Ich denke, dass wir in vier bis fünf Tagen richtig loslegen«, sagte Ohlert. Die derzeitigen Anlandungen gehen in den Direktvertrieb und an die Gastronomen vor Ort.

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