Pfeffer in Afghanistan
Kommandeurwechsel: Ein Bundeswehrgeneral aus Leipzig ist ISAF-Chef im Norden
Nach einem Jahr gab Generalmajor Markus Kneip am Sonntag die ISAF-Führung in den neun Nordprovinzen ab. Nun wird in den kommenden zwölf Monaten Generalmajor Pfeffer im Kommando Nord offiziell das Sagen haben. Ihm unterstehen noch rund 11 500 ausländische Soldaten, darunter etwa 5000 Bundeswehr-Angehörige, ebenso viele US-Soldaten sowie Truppen aus weiteren 18 Nationen. Gemeinsam mit den afghanischen Sicherheitskräften kommt man so auf 41 000 uniformiert Bewaffnete auf Regierungsseite.
Rund 70 Angehörige seines bisherigen Stabes nahm Pfeffer mit. Er braucht effektive, verlässliche Leute um sich, denn die Kommandoübergabe erfolgte in einer schweren Zeit. Die jüngste gedankenlose Koranverbrennung durch US-Soldaten »waren ein Funke an einem Pulverfass, das bereits seit Jahren gefüllt wird: Kollateralschäden in der Zivilbevölkerung, nächtliche Durchsuchungen, willkürliche Festnahmen und die Unterstützung von Menschenrechtsverletzungen und Korruption des Karsai-Regimes bringen schon lange die afghanische Bevölkerung gegen die ISAF-Truppen auf«, sagt Paul Schäfer, der verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.
In der Tat ist es so, dass niemand mehr über die hehren Ziele spricht, mit denen die westliche Militärallianz vor rund zehn Jahren über Afghanistan hergefallen ist. Selbst der Anspruch, Afghanistan dürfe nie wieder zum Hort von Terrorismus werden, ist keine Vorgabe mehr, über die zu sprechen lohnt. Das alles beherrschende Thema heißt: Rückzug! Niemand will der sein, den die Hunde beißen.
Propagandistisch nennt man den Rückzug lieber Abzug. Nur wer noch immer optimistisch erscheinen will, spricht von der Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte.
Ziel des Westens ist es, bis 2014 ein System selbsttragender Sicherheit aufgebaut zu haben. Das heißt, dass die afghanische Armee und die afghanische Polizei mit Hilfe westlicher Ausbilder und Berater allein in der Lage sind, den Bestand des Kabuler Regimes zu garantieren.
Der 53-jährige Zwei-Sterne-General Pfeffer, der am liebsten seine Gebirgsjägermütze über die Glatze zieht, hat sich auf den Auslandsjob gut vorbereitet. In seinem Leipziger Dienstzimmer hing ein traditioneller Mantel, wie ihn in Afghanistan viele tragen. Er ist ein Geschenk von General Zalmai Wesa.
Wesa ist Pfeffers direkter militärischer Partner in der Nordregion. Und ein Problem für sich. Im vergangenen Jahr tauchten interne NATO-Dokumente auf, in denen Wesa als »korrupter Offizier« bezeichnet wird, »der sich durch seine Position in der afghanischen Armee finanziell zu bereichern versucht«. Ihm werden Verbindungen zum terroristischen Haqqani-Netzwerk nachgesagt. General Wesa hatte auch die Freilassung afghanischer Soldaten angeordnet, die in einen Anschlag auf deutsche Soldaten in der Provinz Baghlan im Juni 2011 verwickelt gewesen sein sollen. Man kann nur hoffen, dass die deutschen Dienste diesen Bericht und ähnliche Erkenntnisse an General Pfeffer weitergegeben haben.
Denn: Vertrauen ist gut, Vorsicht lebenserhaltend. Pfeffers Vorgänger General Kneip war im Mai vergangenen Jahres verwundet worden. Er war mit anderen ISAF-Kommandeuren im Gouverneurspalast von Talokan, als Aufständische in afghanischen Uniformen eindrangen. Prominentestes Opfer des Überfalls war der afghanische General Daoud Daoud, eine wichtige Stütze des Regimes.
Den Feind im Freund hatten auch zwei hochrangige US-Militärberater in Kabul nicht erkannt. Sie wurden am Sonnabend von einem Offizier des afghanischen Geheimdienstes im Innenministerium erschossen. So wie Frankreich hat auch Deutschland alle Berater - es sind rund 50 - aus Kabuler Behörden zurückgezogen. Vorerst, heißt es.
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