Allein unter Erzieherinnen

Kitas suchen Wege, um mehr Männer für die Arbeit mit Kindern zu begeistern - Beispiele aus Hessen

  • Dirk Baas, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Jahr 2010 lag der Anteil männlicher Erzieher in den Kitas der Bundesrepublik bei 2,7 Prozent. Um langfristig das EU-Ziel von 20 Prozent zu erreichen, laufen derzeit bundesweit 16 Modellvorhaben an 1300 Kitas. Eine von ihnen ist die Kita »Friedrich-Fröbel-Haus« in Darmstadt (Hessen).
Noch immer eine Ausnahme: der Sozialpädagoge Alex Nebuth leitet die Evangelische Michaelsgemeinde in Darmstadt.
Noch immer eine Ausnahme: der Sozialpädagoge Alex Nebuth leitet die Evangelische Michaelsgemeinde in Darmstadt.

Darmstadt/Berlin. Er ist ein Mann, den viele gerne hätten. Doch so einen wie Alexander Stöhr (40) gibt es nur sehr selten. Er ist Sozialpädagoge und Erzieher und arbeitet in der Darmstädter Kita »Friedrich-Fröbel-Haus« - der einzige Mann unter acht Kolleginnen. Die Leiterin der evangelischen Einrichtung, Irene Mundanjohl, schätzt die Art, wie Stöhr mit den Kindern umgeht. Die, das verrät der Geräuschpegel, der durch die Bürotür dringt, mögen ihn ebenso. Längst hätte die Chefin einen zweiten Erzieher eingestellt. Aber: »Es ist keiner da.«

Damit die Einrichtungen nicht länger männerfreie Zonen bleiben, hat sich Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ein ambitioniertes Programm auf die Fahnen geschrieben: Mit der Initiative »Mehr Männer in Kitas« lässt sie bis Ende 2013 Strategien entwickeln, wie der Anteil männlicher Fachkräfte gesteigert werden kann. An 16 Modellvorhaben beteiligen sich 1300 Kitas in 13 Bundesländern.

Personalbedarf wächst

Erprobt werden etwa Schülerpraktika, Schnuppertage zur Berufsfindung, der Einsatz von »Werbe-Erziehern«, Mentorenprogramme für Erzieher oder Initiativen für aktive Väterarbeit. Langfristig soll all das dazu beitragen, das EU-Ziel von männlichen Erziehern in Kitas in Höhe von 20 Prozent zu erfüllen. 2010 lag der Wert hierzulande bei 2,7 Prozent.

Einer von zwei beteiligten Trägern in Hessen ist das Zentrum Bildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Darmstadt. Es koordiniert die Aktivitäten von 37 Kitas, die nicht nur mehr Erzieher finden wollen. Ziel ist auch, Väter, Großväter und ehrenamtlich aktive Männer »für das Lebens- und Arbeitsumfeld Kita zu begeistern«.

In den Einrichtungen der EKHN waren 2009 gar nur zwei Prozent der Fachkräfte Männer. Der Handlungsdruck ist groß, auch, weil ab 2013 mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige der Personalbedarf noch deutlich steigen wird. »Schon heute ist es schwierig, im Rhein-Main-Gebiet Fachkräfte zu finden«, berichtet Carmen Prasse, Referentin für Gleichstellung bei der EKHN, die das Projekt mit angeregt hat: »Wir wollen mehr Männer in den Beruf hereinholen.«

Das habe vor allem pädagogische Gründe: »Kitas sind fast immer eine reine Frauendomäne.« Den Kindern fehlten in der frühen Prägung männliche Vorbilder - auch, weil es immer mehr Alleinerziehende gibt. Prasse betont, dass sowohl Männer als auch Frauen in den Einrichtungen gebraucht werden: »Gemischte Teams sind optimal, dann erleben Kinder hautnah, wie die Geschlechter miteinander umgehen.«

Ingrid Sehrbrock, stellvertretenden DGB-Vorsitzende, bezweifelt, dass die Kampagne allein zum Ziel führt. »Eine dreijährige Strategieoffensive reicht längst nicht aus, um mehr Männer zu gewinnen.« Der Erzieherberuf müsse attraktiver, das Berufsfeld aufgewertet, die Durchlässigkeit etwa zum Studium erhöht und die Bezahlung besser werden.

Nicht jeder bleibt

Sind erst einmal Erzieher in der Kita beschäftigt, heißt das nicht, dass sie lange bleiben. »Die durchschnittliche Verweildauer beträgt nur zwei Jahre«, berichtet Christian Urbanik, Koordinator der Darmstädter Projektstelle »Mehr Männer für Kitas«. Sie bietet jungen Männern im Beruf via Internet »Begleitung von Anfang an«. Online-Mentoring heißt das Angebot, bei dem sich erfahrene Berufskollegen mit den Betreuten austauschen, Konflikte besprechen oder etwa über die Rolle als Mann in der Kita nachdenken. »Das Angebot kommt gut an, doch muss es noch bekannter werden«, sagt der Koordinator Urbanik.

Solche Hilfen braucht Alexander Stöhr nicht mehr. Er hat Beruf und Berufung gefunden. An Anerkennung von Kolleginnen und Eltern fehle es ihm nicht. »Für mich ist das ein Beruf wie jeder andere«, sagt Stöhr. Er sieht sich als Teamarbeiter, der »alles macht, was die Kolleginnen auch machen«. Dennoch sei sein Umgang mit den Kindern anders als der der Frauen: »Ich spreche die Kinder anders an und handele eben wie ein Mann.« Im Fröbel-Haus tut er das schon zehn Jahre lang - ganz selbstverständlich.

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