Carlos Menem muss vor Gericht

Hat Argentiniens Ex-Präsident Aufklärung eines Anschlags verhindert?

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 2 Min.
Argentiniens Ex-Präsident Carlos Menem muss sich im Zusammenhang mit dem Anschlag auf das jüdische Hilfswerk AMIA vor Gericht verantworten. Richter Ariel Lijo ordnete am Freitag eine Verhandlung gegen den 81-Jährigen an.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Präsidenten Verschleierung einer Straftat und Verstoß gegen die Verfassung vor. Unter den fünf Mitangeklagten ist auch der frühere Richter Juan José Galeano, dem 2003 die Ermittlungen in dem Fall entzogen wurden. Bei dem Bombenanschlag am 18. Juli 1994 auf das Gebäude der AMIA in Buenos Aires wurden 85 Menschen getötet und etwa 300 verletzt; über 400 Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört oder beschädigt. Das Attentat löste die größte Ermittlungsaktion in der argentinischen Justizgeschichte aus; die Akten umfassen mittlerweile über 120 000 Seiten.

Bei dem nun angeordneten Prozess geht es nicht um die Frage, wer die Drahtzieher und Verantwortlichen für den Anschlag waren. Dazu wurde drei Jahren lang ein Verfahren geführt, das jedoch ohne greifbare Ergebnisse blieb. Dem Richter geht es um die Frage, ob die Ermittlungen in Argentinien von höchster Stelle beeinflusst, behindert oder gar unterbunden worden sind.

Der Prozess soll klären, ob Carlos Menem den Textilfabrikanten Alberto Jacinto Kanoore Edul geschützt hat. Die Ermittlungen gegen ihn waren unmittelbar nach einem Besuch seines Vaters im Regierungsgebäude eingestellt worden - auf Betreiben von Munir Menem, zuständig für die Audienzen, und im Namen von Carlos Menem. Der Bruder des Ex-Präsidenten ist im November 2010 verstorben.

Ob der ebenfalls 2010 verstorbene Alberto Jacinto Kanoore Edul tatsächlich in den Anschlag verwickelt war, ist nicht endgültig bewiesen. Doch Verbindungen lassen sich nachweisen. Die Beziehungen zwischen seiner Familie und Carlos Menem haben eine lange Tradition. Die Wurzeln liegen in der gemeinsamen syrischen Vergangenheit und Abstammung. Während Menems Präsidentschaft (1989-1999) war Vater Edul ein häufig gesehener Besucher im Regierungsgebäude.

Derzeit ist Carlos Menem Senator seiner Heimatprovinz La Rioja. Damit genießt er Immunität, die ihn vor einer sofortigen Inhaftierung im Fall einer Verurteilung bewahren würde.

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