Zwei Fehler hätten fast das Gold gekostet

Eiskunstlauf: Vierter WM-Titel an die Chemnitzer Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy

  • Britta Köber, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Zwei Fehler hätten den Chemnitzern Aljona Sawtschenko/Robin Szolkowy fast den vierten WM-Titel gekostet. »Robin weiß schon, dass ich sauer bin«, sagte Aljona Sawtschenko nach dem knappen Sieg in Nizza. Ernüchternd waren hingegen die Einzelauftritte von Sarah Hecken (Mannheim) und Peter Liebers (Berlin), die beide über Platz 20 nicht hinauskamen.

Erst floss der Champagner bei der improvisierten Siegesparty, dann gab es ein professionelles Fotoshooting am Stadtstrand von Nizza: Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy feierten ihren vierten Weltmeistertriumph im Paarlauf ausgiebig. »Das haben nur ganz wenige geschafft. Ich bin sehr stolz«, sagte Trainer Ingo Steuer und versicherte, dass er sich bis Olympia 2014 in Sotschi voll auf den Goldtraum mit den beiden Chemnitzern konzentrieren wolle. Alle Anfragen von Einzel- und Paarläufern auch aus dem Ausland, ihn als Coach zu verpflichten, habe er abgewiesen.

Olympiagold das Ziel

Das Kopf-an-Kopf-Rennen mit den erneuten WM-Zweiten Tatjana Wolossoschar und Maxim Trankow (Russland) wird bis Sotschi den ganzen Einsatz von Steuer erfordern. Das ultimative Ziel machte Antreiberin Sawtschenko schon beim nächtlichen Umtrunk klar: »Was zählt schon ein weiterer Titel? Er ist schön, aber uns geht es nur um Olympiagold.«

Deshalb musste sich ihr geduldiger, aber in Stresssituationen manchmal fehlerhafter Partner auch unmittelbar nach dem Triumph Kritik anhören. »Robin weiß schon, dass ich sauer bin«, sagte die 28-jährige gebürtige Ukrainerin und kündigte eine interne Aussprache an.

Der vier Jahre ältere Sachse war in der innovativen Ballettkür »Pina« erst den Axel nur einfach statt doppelt gesprungen und begann zudem die Paarlaufpirouette auf dem falschen Bein. »Das ist, als wenn man falsch in eine Einbahnstraße fährt«, beschrieb Szolkowy die Situation, die Saw-tschenko mit ihrem Anpassungsgefühl noch rettete.

»Aljona hat den Titel für uns geholt, denn Robin hatte einen Blackout«, analysierte der erleichterte Coach. »Sie hat gekämpft und alles rausgeholt. Sie ist eine Beißerin.« Am Ende siegten die viermaligen Europameister mit nur 0,11 Zählern vor den starken Russen, die mit der brillanten Vorstellung zur Filmmusik von »Black Swan« die beste Kürwertung erhielten. Nach einem Sturz im Kurzprogramm hatten alle Experten die härtesten Konkurrenten längst abgeschrieben. »Russen geben niemals auf«, betonte Trankow - eine Kampfansage für die nächsten zwei Jahre.

Auch Steuer schürte den Konkurrenzkampf: »Es war eine Schlüsselsaison, weil alle die Russen als Favoriten gehandelt haben. Das hat uns gewurmt. Und für sie ist es ein herber Rückschlag.« Schon im Grand-Prix-Finale waren die Sachsen mit einem hauchdünnen Vorsprung vorn gewesen. »Aljona und Robin sind sehr würdige Weltmeister, auch wenn sie kleine Schönheitsfehler in der Kür hatten«, meinte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU). Er unterstützt das Paar bei den Plänen zur technischen Aufrüstung der Programme. Dieses Jahr wurde der dreifache Wurfaxel ins Kurzprogramm integriert, 2013 soll er in die Kür eingebaut werden.

DEU-Bilanz ernüchternd

»Enttäuscht und ernüchtert« zeigte sich der Verband über die Resultate in den Einzeldisziplinen, in denen die Deutschen die technische Entwicklung verschlafen haben. Sarah Hecken und Peter Liebers beendeten die WM auf Rang 20. Die Klasse der Weltmeister Patrick Chan (Kanada) und der in Oberstdorf lebenden Carolina Kostner (Italien) ist für sie unerreichbar.

Für Kanada war es das zweite WM-Gold bei diesen Titelkämpfen, was Platz eins im Medaillenspiegel (2/0/0) bedeutete, gefolgt von Deutschland und Italien (jeweils 1/0/0), Russland (0/2/0), Japan (0/1/3), den USA (0/1/0) und Frankreich (0/0/1).

»Es wird Einzelgespräche mit den Trainern geben, um aus dieser Sackgasse herauszukommen«, kündigte der DEU-Sportdirektor Dönsdorf an und stellte in Aussicht: »In zwei Jahren ist Olympia, und wenn wir die Entwicklung nächstes Jahr nicht drehen, werden wir mit einer kleinen Mannschaft nach Sotschi fahren«. International seien die Deutschen zu blauäugig. »Manche Trainer sind beratungsresistent«, so Dönsdorf, der allen Kadersportlern professionelle Hilfe anbietet, »damit ein Ruck durch den Eiskunstlauf geht«. Wenn das nicht passiert, wird es nach dem Karriereende von Sawtschenko/Szolkowy in zwei Jahren bitter für die DEU aussehen.

Hauchdünne Entscheidung


Eine winzige Nuancierung bei der Bewertung durch das Preisgericht hat letztlich die WM-Entscheidung im Paarlauf beeinflusst, aus der Sawtschenko/Szolkowy mit 0,11 Punkten Vorsprung vor Wolossoschar/Trankow als Sieger hervorgingen. Die neun Juroren taxieren jedes Element auf einer Skala von minus 3 bis plus 3. Bei einer »normalen« Ausführung eines wichtigen Sprungs oder einer Hebung wird eine »0« in den Wertungscomputer eingegeben. Hätte nur ein Preisrichter ein einziges Element des russischen Paares statt mit »0« mit »plus 1« eingestuft, wäre es zum Punktgleichstand gekommen. Da es im Eiskunstlauf aber kein Unentschieden gibt, hätte in diesem Fall den beiden Moskauern die höhere Punktzahl bei den künstlerischen Komponenten zum WM-Sieg verholfen. Diese Regel musste bei WM im Medaillenbereich noch nie angewendet werden. SID

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