Teilrückzug aus Deutschland

Trotz Firmeninsolvenzen und Fertigungsstilllegungen - das Gros der solaren Wertschöpfung bleibt

  • Bernward Janzing
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutsche Hersteller von Zellen und Modulen kämpfen ums Überleben, doch andere Teile der solaren Wertschöpfungskette bleiben hierzulande weiterhin stark.

Die Liste des Rückzugs wird länger. Kürzlich kapitulierte das Unternehmen First Solar und kündigte an, seine Fertigung in Frankfurt (Oder) im vierten Quartal 2012 zu schließen. 1200 Arbeitsplätze sind betroffen.

Inzwischen ist vom Niedergang einer ganzen Branche in Deutschland die Rede. Dieser hatte seinen ersten Höhepunkt im Dezember 2011 mit dem Insolvenzantrag der Berliner Solon erreicht. Vor einigen Wochen folgte der einst weltgrößte Solarzellenhersteller Q-Cells, zu Hause im »Solar Valley« in Bitterfeld-Wolfen. Zwischendrin standen einige kleinere Pleiten wie jene des Projektierers Solar Millennium, Odersun, Solarhybrid oder Ralos. Außerdem ist da noch die Hamburger Conergy, die einst auf Solarmessen mit Größe protzte, aber bereits Ende 2010 zu einem der größten Finanzsanierungsfälle der deutschen Wirtschaft wurde.

Sind daran nun alleine die massiven Kürzungen der Einspeisevergütungen in Deutschland schuld? So einfach ist es natürlich nicht. Jede der betroffenen Firmen hatte auch ureigene Probleme: Conergy war zum internationalen Gemischtwarenladen der erneuerbaren Energien verkommen. Q-Cells gab horrende Summen für irgendwelche Berater aus. Gegen Solar Millennium leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Betrugs ein, während die börsennotierte Solarhybrid AG unter dem Verdacht des Insiderhandels steht.

Der gesamten Branche gemeinsam ist, dass sie über Jahre hinweg beschämend wenig in Forschung und Entwicklung investierte - kaum zwei Prozent ihres Umsatzes. Jede andere Hochtechnologie gibt mehr aus. Unbestritten ist, dass die Produzenten von Zellen und Modulen in Deutschland auch unter dem harten Druck des Weltmarkts ächzen. Frank Asbeck, Chef und Gründer des Konzerns SolarWorld, nannte den globalen Konkurrenzkampf in der Branche »mörderisch«.

Es gibt auch die andere Sichtweise: Matthias Kurth, der langjährige Präsident der Bundesnetzagentur, zweifelt daran, dass die Produktion von Solarpaneelen in Deutschland überhaupt Zukunft hat. Sie sei schließlich »technologisch nicht komplexer als die eines iPads oder eines Flachbildschirms«. In den anderen Märkten habe man bereits gelernt, mit China arbeitsteilig zu kooperieren, sagte er dieser Tage.

Selbst wenn die Zell- und Modulhersteller nun nach und nach gehen sollten - die Solarwirtschaft in Deutschland ist nicht verloren. Denn von der Wertschöpfungskette verabschiedet sich nur ein Teil ins Ausland. Zum Beispiel sitzt der Weltmarktführer für Wechselrichter (Geräte, die den Gleichstrom der Module in Wechselstrom umwandeln), die Firma SMA aus Niestetal bei Kassel, noch immer in Deutschland. Das Handwerk, das in großem Stil von der Solarenergie profitiert, kann naturgemäß niemals nach Asien auswandern. Auch sind drei Viertel der weltweiten Solarforschung in Deutschland angesiedelt. Und auch die führenden Maschinenbauer sind hier ansässig: Die Solarzellen, die in Asien produziert werden, entstehen zumeist auf Maschinen, die aus Deutschland kommen. Der Weltmarkt wird dominiert von den baden-württembergischen Firmen Centrotherm (Blaubeuren), Manz (Reutlingen), Schmid (Freudenstadt) und Rena (Gütenbach) sowie von Roth & Rau aus dem sächsischen Hohenstein-Ernstthal.

Dass ein symbolträchtiger Teil der solaren Wertschöpfung Stück für Stück wegbricht, ist für die betroffenen Regionen bitter. Bundesweit betrachtet ist damit aber nur ein geringer Teil der Jobs in der Solarbranche bedroht: Nur etwa jeder siebte der 130 000 solaren Arbeitsplätze entfällt auf die Massenfertigung von Zellen und Modulen.

Die Top 10

1. Suntech Power (China)
2220 MW / +40%

2. First Solar (USA)
1981 / +40,3%

3. JA Solar (China)
1700 / +16,2%

4. Yingli (China)
1604 / +51,3%

5. Trina Solar (China)
1550 / +47,6%

6. Motech (Taiwan)
1100 / +16,4%

7. Canadian Solar (Kanada)
1010 / +93,2%

8. Hareon Solar (China)
940 / +506,5%

9. Sunpower (USA)
922 / +63,8%

10. Gintech (Taiwan)
873 / +5,6%

13. Q-Cells (D)
790 / -22,1%

20. SolarWorld (D)
525 / +14,1%

Weltmarktführer bei Solarzellen: Produktion in Megawatt (MW) 2011, Veränderung gegenüber 2010; Quelle: PHOTON Europe GmbH 2012

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