Edmund Stoiber verfügt »Teufelsaustreibung«

Bayern, Sachsen und Thüringen erschweren die Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

  • Peter Richter
  • Lesedauer: 3 Min.
Bayern, Sachsen und Thüringen unterlagen zwar mit ihren Klagen gegen das Inkrafttreten des Gesetzes über gleichgeschlechtliche Partnerschaften vor dem Bundesverfassungsgericht, doch nun greifen sie in die juristische Trickkiste, um Homosexuelle weiter diskriminieren zu können.
Schlechte Verlierer kann man nicht selten auf Fußballplätzen beobachten. Wenn ein Spieler im Zweikampf dem Besseren unterliegt, dann tritt er schon mal nach oder nimmt die Hände zu Hilfe, um dem Gegner doch noch eins auszuwischen. Offenbar begeistern die Politiker im Land des deutschen Fußballmeisters FC Bayern München, aber auch in den fußballerisch schwächeren Ostländern Sachsen und Thüringen gerade solche Fouls am meisten, und sie übertragen sie gern aufs politische Spielfeld. Dies geschieht gegenwärtig mit dem Gesetz über die Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, das vergangene Woche vom Bundesverfassungsgericht gegen den Willen der drei CSU- bzw. CDU-regierten Bundesländer nicht aufgehalten wurde, obwohl die Karlsruher Richter ein Urteil in der Hauptsache noch nicht fällten. So müsste das Gesetz eigentlich am 1.August in Kraft treten, doch in Bayern ist das überhaupt nicht und in Sachsen und Thüringen nur unter seltsamen Auflagen möglich. Denn die dortigen Unionsregierungen lehnen es ab, gleichgeschlechtliche Partnerschaften in Standesämtern eintragen zu lassen; stattdessen schicken sie die Schwulen oder Lesben zu anderen Behörden bzw. zum Notar. Am deutlichsten zeigt die bayerische CSU ihren Ärger. Deren Vertreter schalten nicht nur die Karlsruher Richter in rüder Weise; sie erklärten sogar unverblümt, dass sie das Gesetz weder terminlich noch inhaltlich einhalten wollen. So wird erst jetzt dem Landtag ein entsprechender Gesetzentwurf zugeleitet, über den abschließend nicht vor Oktober oder November entschieden werden kann. Außerdem sieht der Entwurf der bayerischen Staatsregierung vor, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften bei einem Notar eingetragen werden, nicht jedoch vor einer »Behörde«, wie es das Bundesgesetz vorsieht. Innenminister Beckstein macht aus diesem Gesetzesbruch sogar eine Wohltat für die ehewilligen Homosexuellen, denn so könnten sie gleich über Erbrecht und Güterstand beraten werden. Und außerdem sei es möglich, »die Sache vertraulich zu gestalten, ohne großes Tamtam, das sicher auch viele Paare nicht wollen«. Abgesehen davon, dass der CSU-Politiker auf diese Weise - in typischer Potentatenmanier - am besten zu wissen vorgibt, was den »Untertanen« frommt, verrät er zugleich beflissenen Gehorsam gegenüber seinem Ministerpräsidenten. Denn Edmund Stoiber hatte bereits 1991 erklärt: »Wenn ich über steuer- und erbrechtliche Anerkennung von homosexuellen Paaren diskutiere, dann kann ich gleich über Teufelsanbetung diskutieren.« Verständlich, wenn der Minister seinem Chef nun nicht zumuten will, dass ausgerechnet bayerische Freistaatsbehörden derart tätig werden; der regierungsamtliche Gesetzentwurf dient mithin wohl vor allem der »Teufelsaustreibung«. Weniger demonstrativ, in der Sache aber kaum besser gehen die CDU-Regierungen in Sachsen und Thüringen vor. Sie ermöglichen zwar fristgerecht zum 1.August die »Homo-Ehe«, aber dafür müssen die Paare in Sachsen zum jeweiligen Regierungspräsidium, das heißt nach Dresden, Leipzig oder Chemnitz, bzw. in Thüringen zum Landesverwaltungsamt in Weimar fahren. Das ist nicht nur mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden, sondern soll die Zeremonie der Eintragung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zudem entwerten. Daher fordern zum Beispiel die lesbisch-schwulen Initiativen in Sachsen eine Regelung auf kommunaler bzw. Kreisebene - wie sie in Thüringen zumindest für den Herbst in Aussicht gestellt wird - und die Öffnung der Standesämter. »Nur hier sind ein würdiger Rahmen, geschultes Personal und das nötige Know-how vorhanden«, erklärten sie. Das Vorgehen der unionsregierten Ländern, vor allem der eindeutige Rechtsverstoß Bayerns, ist inzwischen auf starke Kritik gestoßen. So forderte Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin von München die fristgemäße Umsetzung des Gesetzes. Die bayerische Verweigerung sei nicht nur schlechter Stil, sondern verstoße auch gegen den Geist der Bundesstaatlichkeit. Dass sich die dortige Staatsregierung, die sonst nicht laut genug nach Rechtsstaatlichkeit rufen kann, von der Ministerin sagen lassen muss: »Deutschland ist ein Rechtsstaat, das gilt auch für die CSU«, zeigt, wie schnell in Bayern das Recht vergessen wird, wenn es dem eigenen ideologischen Weltbild widerspricht. Und die sächsischen und thüringischen Christdemokraten erweisen sich bei solcher Rechtsbeugung als gelehrige Schüler.
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