Mehr Zeit für den Lärmschutz

Wohnungswirtschaft sieht auch positive Seite der verschobenen Flughafeneröffnung

Es ertönt simulierter Fluglärm. Die speziellen Schallschutzfenster sind geschlossen, aber die Geräusche sind immer noch unangenehm. Lüfter sind vorhanden, aber das Raumklima ist doch ein anderes, als wenn die Fenster sperrangelweit geöffnet oder wenigstens angeklappt wären.

Es ist nicht gerade ein Vergnügen, in der Nähe des bisherigen Airports Berlin-Schönefeld zu leben, und es wird ganz sicher noch unbequemer, wenn der neue Großflughafens »Willy Brandt« in Betrieb geht. Die Wohnungsverwaltungs- und Baugesellschaft Blankenfelde mbH (WOBAB) versucht jedoch ihr Möglichstes, um die Folgen für ihre Mieter zu mindern. Dabei hat die Gesellschaft auch eigene innovative Lösungen entwickelt. Gestern besichtigten Abgeordnete der Linksfraktion des Landtags, darunter Fraktionschefin Kerstin Kaiser und ihr Stellvertreter Stefan Ludwig eine Musterwohnung in Blankenfelde. WOBAB-Geschäftsführer Thomas Bachmann zeigte sie ihnen.

Der versprochene Schallschutz am Flughafen müsse gewährt werden - »ohne Wenn und Aber«, verlangte Stefan Ludwig. Finanzielle Obergrenzen dürfte es nach seiner Ansicht beim Schutz der Anwohner nicht geben. Die von der Flughafengesellschaft zusätzlich zugesicherten 17 Millionen Euro für den Schallschutz »sind ein wichtiger Schritt«, meinte Ludwig. Fraktionschefin Kaiser ergänzte: »Doch weitere Schritte müssen folgen, denn es geht um die Gesundheit der Menschen.« Darüber seien sich die Koalitionsfraktionen SPD und LINKE einig.

Bedauerlicherweise hinkt die Flughafengesellschaft bei den Schallschutzmaßnahmen hinterher. Viele Anlieger verfügen noch immer nicht über Spezialfenster, die den Lärmpegel in den Räumen reduzieren, und über die Lüftungsanlagen, die es ermöglichen, bei geschlossenem Fenster auszuharren. Einen Vorteil hat es also insofern, dass der Eröffnungstermin des Flughafens »Willy Brandt« am Dienstag völlig überraschend vom 3. Juni auf die zweite Augusthälfte verschoben werden musste. Das verschafft jetzt noch ein wenig mehr Zeit, um Fenster und Lüftungen einzubauen.

Dies sieht der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen ähnlich. So ärgerlich die kurzfristige Terminverschiebung sei, sie habe auch positive Seiten, reagierte Vorstand Maren Kern. »Die gewonnene Zeit muss jetzt genutzt werden, um die Defizite bei der Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen zu beseitigen.« Notwendig sei aus Sicht der Wohnungswirtschaft, zeitgemäße, klimafreundliche Lärmschutztechnik, selbstverständlich zu finanzieren, das Lärmschutzprogramm schnell und unbürokratisch umzusetzen und eine gute Zusammenarbeit mit einer ausreichenden Zahl von Handwerksbetrieben sicherzustellen.

Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) warnte vor »uneffektiven Billiglösungen«. Werde der Lärmschutz »weiter so sträflich vernachlässigt«, werde der VDGN alles dafür tun, »einen weiteren Aufschub zu bewirken«, versprach Präsident Peter Ohm.

Auch Grünen-Fraktionschef Axel Vogel forderte, die gewonnene Zeit bis zur endgültigen Eröffnung des Flughafens dafür zu verwenden, um die Anrainer komplett mit den im Planfeststellungsbeschluss vorgeschriebenen Lärmschutz zu versehen. Vogel sprach von Versäumnissen. Erst fünf Prozent der notwendigen Maßnahmen seien umgesetzt. Zudem müsse ein Konzept her, »wie auf Nachtflüge verzichtet werden kann«.

Für das Aktionsbündnis für ein lebenswertes Berlin-Brandenburg ist es kein Anlass für Jubel, dass der Airport später als erwartet öffnet. »Die Probleme werden dadurch nicht gelöst«, sagte Sprecher Matthias Schubert. Am 4. Juni sollen in Berlin und in Brandenburg die Volksbegehren für ein striktes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr statt nur von 0 bis 5 Uhr starten.

Die CDU-Fraktion hatte die Einführung einer Lärmrente angeregt. Anwohner, die bei Eröffnung des Flughafens noch nicht effektiv geschützt sind, sollten zum Ausgleich eine monatliche Summe von der Flughafengesellschaft erhalten. Doch der Vorschlag wurde im Landtag abgelehnt. Die Abgeordnete Kornelia Wehlan (LINKE) begründete das damit, dass der CDU-Antrag hemdsärmelig gestrickt gewesen sei. Denn Geld hätte nur erhalten, wer trotz eigener Bemühungen nicht geschützt wurde. Doch viele unterschrieben ja die Vereinbarung mit der Flughafengesellschaft zur Kostererstattung nicht, weil sie dabei auf künftige Ansprüche verzichten sollten, erläuterte Wehlan.

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