Spielhallen-Flut eingedämmt

Weniger Genehmigungen ein Jahr nach Verabschiedung des Gesetzes

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Als erstes Bundesland verabschiedete Berlin vor einem Jahr ein Spielhallengesetz. Damit wollte es der Flut von Spielhallen Einhalt gebieten. »Spielhallen zerstören ganze Kieze«, sagte damals der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz, der Initiator des Gesetzes. »Und sie zerstören Menschen.« Denn rund 34 000 Berliner gelten als pathologisch spielsüchtig oder haben ein problematisches Spielverhalten. Betroffen sind vor allem junge Männer. Die Folgen sind Verschuldung, Kriminalität und Zerstörung ganzer Familien.

Rund 10 000 Spielautomaten sind in Berlin zugelassen, die Zahl hatte sich zwischen 2006 und dem Inkrafttreten des Gesetzes 2011 verdoppelt. Ganze Straßen wie die Karl-Marx-Straße in Neukölln und die Müllerstraße im Wedding haben sich in »Spielhallenstraßen« verwandelt und wurden somit entwertet. Dem schob Rot-Rot gemeinsam mit CDU und Grünen einen gesetzlichen Riegel vor. Eine Spielhallenbetreiberin hat Verfassungsbeschwerde eingereicht, die von der Automatenwirtschaft unterstützt wird.

»Die Spielhallenflut wurde eingedämmt«, konstatiert Daniel Buchholz nach einem Jahr. In mehreren Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg wurde seitdem keine einzige Spielhalle mehr genehmigt. In seinem eigenen Bezirk, Spandau, konnten 18 von 19 beantragten Spielhallen abgelehnt werden. Ablehnungen sind nach dem neuen Gesetz möglich, wenn der Standort zu dicht an Kinder- und Jugendeinrichtungen oder an vorhandenen Spielhallen liegt. Betreiber und Mitarbeiter von Spielhallen müssen ab diesem Juni einen Sachkundenachweis erbringen und an Schulungen zum Thema Spielsucht teilgenommen haben.

Stumpf ist das neue Gesetz bisher allerdings gegen die große Anzahl bereits bestehender Spielhallen. Denn da können sich die Inhaber auf ihr Recht auf Gewerbefreiheit berufen. Erst nach Ablauf von fünf Jahren müssen sich Spielhalleninhaber mit weniger Automaten begnügen als bisher. Unattraktiver soll das Geschäftsfeld durch eine Schließzeit zwischen drei und elf Uhr werden sowie durch die Anhebung der Vergnügungssteuer für Automaten von elf auf 20 Prozent.

Polizeisprecher Volker-Alexander Tönnies konstatiert: »Die Kriminalität im Spielhallenbereich ist seit 2008 kontinuierlich stark angewachsen.« Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes stagniere sie.

In den Ostbezirken war die Wirkung allerdings gering. Lichtenbergs Ordnungsstadtrat Andreas Prüfer (LINKE) sagt: »Wir hatten durch ein anderes Baurecht immer schon mehr Möglichkeiten, Spielhallen zu untersagen.« Das Problem in Lichtenberg seien aber weniger Spielhallen als Spielautomaten in Gaststätten und Imbissen. Die gelten Suchtexperten zufolge auch als eigentliche Einstiegsdroge in die Spielsucht: Die Hürde, sich beim Warten aufs Essen an einen Spielautomaten zu setzen ist geringer als die, eine Spielhalle zu betreten. »Nach Angaben des Senates aus dem Jahre 2010 steht berlinweit die Mehrheit der Spielgeräte nicht in Spielhallen, sondern in Gaststätten und Imbissen. In Lichtenberg steht nicht mal ein Viertel in Spielhallen«, so Prüfer.

In Gaststätten seien die Möglichkeiten von Land und Bezirken begrenzt, dagegen vorzugehen, denn hier greift Bundesrecht. Und auf Bundesebene werden die Weichen eher in die entgegengesetzte Richtung gestellt. Prüfer weiter: »Eine gut geführte Spielhalle ist mir lieber als eine Gaststätte mit nicht fachkundigem Personal.« Lichtenberg habe aber solche angeblichen Imbisse geschlossen, »bei denen der Gastronomiebetrieb daraus bestand, dass hinter der Theke ein Kasten Cola steht und der Umsatz mit drei genehmigungsfreien Spielgeräten gemacht wird.« Lichtenberg hätte das in den vergangenen zwölf Monaten zehnmal getan. »Mitunter wurde der angebliche Imbiss gleich vom Automatenaufsteller angemeldet«, sagt der Stadtrat.

Für Daniel Buchholz handelt Lichtenberg »vorbildlich«. Er bedauert, dass nicht viele Bezirke von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen. »In der Koalitionsvereinbarung haben wir festgeschrieben, diesen Café-Casinos den Kampf anzusagen und es wird in Kürze eine Verordnung geben, die in die Richtung zielt, wie Lichtenberg es schon praktiziert.« Außerdem hat der SPD-Politiker mit dem Innensenator über Schwerpunktkontrollen der Polizei gesprochen. »Ich denke, es wird in Zukunft gezielte Razzien gegen illegales Glücksspiel und illegal aufgestellte Spielautomaten geben.« Im Saarland hatte sich bei einer landesweiten Razzia gezeigt, dass jeder dritte Spielautomat illegal aufgestellt war.

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