BLOGwoche: Schleichender Abbau der Demokratie

  • Peter Richter
  • Lesedauer: 2 Min.

Immer weniger stört sich die »demokratische« Staatsmacht führender westlicher Länder daran, dass die von ihr produzierten Bilder zur Bekämpfung öffentlichen Protestes gegen eine neoliberale Politik, die immer größere Teile der Bevölkerung für die Gewinnmaximierung von Unternehmen und Banken bluten lässt, jenen Szenen gleichen, die bislang vor allem aus Peking und Moskau, aus Kiew und Minsk verbreitet und zugleich von den staatstragenden Medien mit dem Ausdruck höchster Empörung gegeißelt wurden. Das Geschehen am letzten Wochenende in Frankfurt am Main mit dem beinahe flächendeckenden Verbot jeglichen Protestes durch den hessischen Innenminister, einer beflissenen hessischen Justiz, einem ebenso willfährigen Bundesverfassungsgericht und dem massiven Einsatz von Tausenden Polizisten mit Massenfestnahmen und Knüppelattacken zur Durchsetzung faktisch verfassungswidriger Maßnahmen übertrifft teilweise die Bilder aus der ehemals kommunistischen Welt; weder für die parlamentarische »Opposition« noch für die meisten Medien Grund für einen ähnlichen Aufschrei, wie er stets solche Szenen beim vermeintlich ideologischen Gegner begleitet.

Und doch sind die martialischen Vorgänge aus der deutschen Metropole der Hochfinanz, die ihr Pendant zur gleichen Zeit in Chicago, der US-Zentrale des organisierten Verbrechens, aus Anlass der dortigen NATO-Tagung fanden, nur das äußere Zeichen einer schleichenden Entwicklung, die sich mehr und mehr von demokratischen Standards verabschiedet und des Staatsorganen freie Hand bei der allmählichen Eliminierung solcher verfassungsmäßiger Grundprinzipien wie Mitsprache, freie Meinungsäußerung oder Versammlungsfreiheit gibt.

Ausgerechnet der ehemalige Verfassungsrichter und Bundespräsident Roman Herzog tritt für die weitere Einschränkung der ohnehin bescheidenen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger ein, indem er die Heraufsetzung der verfassungsrechtlich bedenklichen Fünf-Prozent-Klausel anregt. »Zu viele kleine Parteien« verhinderten, dass der Bundeskanzler von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen werde - ein offenes Plädoyer für demokratiefeindlichen Zentralismus.

Der Autor ist Journalist und lebt in Berlin; zum Weiterlesen: www.blogsgesang.de.

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