Spanien überholt Deutschland beim Klagen
EU-Bürgerbeauftragter legt Jahresbilanz vor / Kritik an mangelnder Transparenz der EU-Kommission
Deutschland ist nicht mehr Spitze: Platz eins in der Rangliste der Länder, aus denen die meisten Beschwerden gegen die EU-Einrichtungen beim europäischen Bürgerbeauftragten eingegangen sind, nimmt 2011 erstmals Spanien ein. »Das mag auch an der Krise liegen, die das Land jüngst getroffen hat, da suchen die Menschen nach Schuldigen«, versuchte Nikiforos Diamandouros, EU-Bürgerbeauftragter oder auch Ombudsmann genannt, auf seiner Jahrespressekonferenz in Brüssel diesen Umstand zu erklären. An den hageren Griechen können sich Bürger, aber auch Unternehmen, Verbände, im Grunde jeder wenden, der meint, ungerecht von den Einrichtungen der EU behandelt zu werden.
Etwas mehr als 22 000 Mal wurde davon 2011 Gebrauch gemacht. Aber nicht alle Anfragen musste Diamandouros mit seinem Team im Detail bearbeiten. Über einen interaktiven Leitfaden konnten gut 18 000 Bürger an andere Ansprechpartner vermittelt werden, die sich um die Beschwerde kümmerten. Eine Hilfe im Dschungel der EU - auch dazu ist der Ombudsmann da.
Letztlich blieben 2510 Beschwerden übrig, die tatsächlich in den engeren Aufgabenbereich des Bürgerbeauftragten fallen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein leichter Rückgang. Dafür nahmen die Untersuchungen, die der Grieche nach Prüfung der Beschwerden eröffnete, von 335 auf 396 zu.
An der Spitze der Angeklagten steht erneut mit weitem Abstand die EU-Kommission. 58 Prozent der eröffneten Verfahren richten sich gegen sie. Verweigerung von Einsicht in Dokumente ist einer der Hauptvorwürfe, mangelnde Transparenz bei der Anwendung der Vorschriften ein anderer. Hinter der Kommission folgen die EU-Agenturen (13 Prozent), das Europäische Amt für Personalauswahl (11 Prozent) und das Europäische Parlament (4 Prozent) in der Rangliste der am häufigsten beklagten Einrichtungen.
Als Beispiele seiner Arbeit nannte Diamandouros unter anderem folgende Fälle: Die EU-Kommission hatte die Nicht-Regierungsorganisation Migration Policy Group (MPG) dazu aufgefordert, 130 000 Euro an die EU-Kommission zurückzuzahlen. Grund: Belege für Personalkosten, die im Rahmen des »Europäischen Migrationsdialoges« angefallen waren, seien zu spät eingereicht worden. MPG empfand diese Summe als »unverhältnismäßig«. Nach Vermittlung des Ombudsmannes senkte die Kommission ihre Forderung auf 60 000 Euro, was MPG akzeptierte.
Ein weiteres Verfahren läuft noch. Darin übernimmt der Ombudsmann die Klage eines spanischen Anwalts. Der hatte bemängelt, dass viele der Befragungen, durch die die europäische Öffentlichkeit an EU-Entscheidungsprozessen teilnehmen kann, nur in englischer Sprache verfasst seien. Viele EU-Bürger würden dadurch an der Teilnahme gehindert. Diamandouros hat jetzt die EU-Kommission dazu aufgefordert, öffentliche Konsultationen grundsätzlich immer in allen 23 Amtssprachen zu publizieren oder auf Anfrage Übersetzungen anzubieten. Die Antwort der EU-Kommission steht noch aus.
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