In gebremster Fahrt zum Aufstand

Intendant Armin Petras stellte seine letzte Spielzeit am Gorki Theater vor

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Ganz in die Farben der Rebellion taucht Armin Petras seine letzte Intendantensaison am Maxim Gorki Theater. Den Aufstand der Jugend nimmt mit Schillers »Räubern« der ebenfalls noch junge Regisseur Antú Romero Nunes (für das Fachblatt theater heute »bester Nachwuchsregisseur 2010) in Angriff. Jorinde Dröse erzählt mit Ibsens »Volksfeind« den Kampf eines Einzelnen gegen die Gesellschaft. Anna Bergmann inszeniert den Politthriller »Radikal« des Spiegelonline-Kolumnisten Yassin Musharbash, in dem ein muslimischer deutscher Politiker einem Attentat zum Opfer fällt und in dem es von Islamisten, Islamhassern und selbst ernannten wie tatsächlichen Islamkennern nur so wimmelt. Als Wegweiser für eine innerliche Radikalisierung wird der gute alte »Macbeth« bemüht und Petras selbst bringt die drei Gesellschaftsfluchtwege Demenz, Depression und Revolution in einem gleichnamigen Stück zusammen.

Insgesamt elf Premieren - darunter auch noch die mit Lokalkolorit versehene Aufarbeitung der Taten der Friedrichshainer Gladow-Bande - beleuchten revoltierende Momente. Sonderlich erfolgversprechend muten all diese Aufstände freilich nicht an. Aber dass das Revolutionsgeschäft gar nicht so einfach ist, erläutert immerhin Wolfgang Engler im Essay im Spielzeitprogrammbuch. Sind »die da unten« denn überhaupt »fähig, eine neue Welt zu bauen?«, fragt der Rektor der Schauspielschule »Ernst Busch« skeptisch und benennt die schier unmögliche Aufgabe: »Die Rolle des Geschöpfs blindwütiger Verhältnisse ablegen und versuchsweise in die des Schöpfers des eigenen Seins und Werdens zu schlüpfen.« Das wäre viel - und Theater könnte helfen beim Schöpfen des Seins und Werdens.

Allerdings begleitete Petras die Ankündigung seiner Aufstandsvorbereitung auch gleich mit dem Hinweis, dass seine Maschine nicht auf allen Zylindern Dampf machen werde. »Wir müssen wegen mangelnder finanzieller Mittel die Studiobühne fast vollständig auf Eis legen«, sagte er »nd«. Er prognostizierte einen Rückgang der Zuschauerzahlen. Am Rekordjahr 2011 mit 98 000 Zuschauern und 1,2 Millionen Euro Kasseneinnahmen war die Studiobühne zu einem guten Fünftel beteiligt. »Eine Struktur wie dieses Haus mit einem festen Ensemble, ist mit unserem Etat nicht aufrecht zu erhalten. Es muss ein neues Modell her«, sagte er noch und wünschte seinen Nachfolgern Shermin Langhoff und Jens Hillje ausdrücklich Glück bei ihrem in der übernächsten Spielzeit beginnenden Experiment. Beide hätten schon jetzt ein Büro im Gorki, wies Petras auf einen nahtlosen Übergang hin.

Er selbst will sein letztes Jahr in Berlin - 2013 geht er nach Stuttgart - aber nicht in Endzeitstimmung verbringen. »Ich habe mir extra viel vorgenommen. Ich führe Regie bei drei Stücken und bin auch als Autor beteiligt. Zwar werden auch einige Stunden an Stuttgart gedacht, aber wir wollen in Berlin noch einiges auf die Beine stellen«, erklärte er.

Die neue Saison wird mit der »Räuber«-Premiere am 30. August und einem Theaterfest am 2. September eingeleitet. Das Finale erfolgt im Juni mit einem Abschluss-Spektakel. »Das wird nicht ganz so groß wie bei dem Herrn Lilienthal«, spielte Petras auf die gigantomanischen Abschiedsevents des HAU-Intendanten an. Aber groß und gewaltig soll es auch in Berlins kleinstem Stadttheater zugehen.

Erwähnenswert ist noch die neue Kooperation mit den Schauspielschülern der Leipziger Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy«. Sie übernehmen das verwaiste Gorki Studio für ihre Studienabschlussprojekte. Eines davon ist eine Bearbeitung von Lars von Triers Kultfilm »Idioten« in der Regie des noch am DT verpflichteten und mittlerweile vor allem als Vater vom Leinwandstar Matthias Schweighöfer bekannten Michael Schweighöfer. Zumindest hier hat also die Jugend gewonnen.

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