Polizistin umgefahren

NPD-Aktivist wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein gerichtliches Nachspiel hatte jetzt ein Naziaufmarsch, der am 14. Mai letzten Jahres durch Kreuzberg ziehen wollte. Rund 100 braune Gesellen hatten sich das Motto »Wahrheit macht frei«, getreu der KZ-Losung »Arbeit macht frei« gewählt, um ausgerechnet in Kreuzberg zu provozieren. Der Nazimarsch lief aus dem Ruder, die Polizei hatte zeitweilig die Kontrolle über das Geschehen verloren, als etwa 500 Gegendemonstranten den Zug der Rechten blockierten. Die NPDler kapitulierten nach einer Stunde und zogen wieder ab. Mitten in der tosenden Menge Uwe D., Fahrer des NPD-Lautsprecherwagens. Er war in dieser Woche angeklagt.

Der 49-Jährige, äußerlich ein Bilderbuchnazi, soll an jenem Tag eine Polizistin angefahren und verletzt haben, die eigentlich zu seinem Schutz eingesetzt war. Und zwar absichtlich, wie die Staatsanwaltschaft ursprünglich annahm. Aus Hass, aus Wut, aus purer Verzweiflung, dass die NPD-Veranstaltung so unrühmlich endete. Mit seinem Fahrzeug soll er zunächst die Polizistin mit dem linken Außenspiegel an der Schulter getroffen haben. Nach einer Drehung sei sie dann ins Straucheln geraten und wurde schließlich vom linken Hinterrad erfasst. Das Rad soll dabei über ihren Schuh gerollt sein.

Kraftmensch Uwe D., gewisse Tätowierung mit schwarzem Wollstulpen abgedeckt, weist das Geschehen völlig zurück. Er habe nichts gesehen und nichts bemerkt. Wäre er über den Fuß der Polizistin gerollt, wäre der Lautsprecher auf dem Dach des Fahrzeugs heruntergefallen. Der aber blieb oben, also gab es auch keine Kollision mit der Uniformierten. Polizistin Angelique schildert sehr präzise, was ihr in diesem Augenblick widerfahren sei. Sie habe vorn nahe am NPD-Wagen gestanden, um Gegendemonstranten von dem Fahrzeug fernzuhalten. Plötzlich sei der Lkw angefahren und habe sie getroffen. Von ihren Kollegen sei sie noch aufgefangen worden. Zum Arzt sei sie nicht gegangen, weil sie die Verletzung nicht für schwerwiegend hielt.

Zwei NPD-Kameraden geben ihrem Gesinnungsgenossen Schützenhilfe. Beide saßen in dem Lautsprecherwagen. Der eine, aus Strafhaft vorgeführt, hat nichts bemerkt und nichts gesehen. Und auch er erzählt die Geschichte mit dem Lautsprecher, der in solch einem Falle hätte runterfallen müssen. Und auch Jan St., stadtbekannter Neonazi, ein wenig zottelig und ein wenig rumpöbelnd, der sich als Hausmeister in der NPD-Zentrale vorstellt, wiederholt das Spiel. Nichts gesehen, nichts gehört und der Lautsprecher ...

Doch beim Richter kommt die Sache nicht gut an. Er verurteilt, den braunen Muskelmann zu einer Geldstrafe von 900 Euro. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen. Der Vorwurf, die Polizistin absichtlich umgefahren zu haben, wurde fallengelassen, da ihm eine Absicht nicht nachzuweisen sei. Ansonsten hat es sich zugetragen, wie die Polizistin es geschildert hat. Es gibt keinerlei Gründe, warum die Polizei-Frau den NPD-Mann zu Unrecht belasten sollte, sagte der Richter. Schließlich ist Uwe D. kein unbeschriebenes Blatt: Trunkenheit im Straßenverkehr, fahrlässige Trunkenheit, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Erschleichen von Leistungen, Verstoß gegen das Uniformierungsverbot, Verwenden von Nazisymbolen. Aus Wut darüber, dass der Richter sich nicht hat einwickeln lassen, stürmen Uwe und seine Kumpane noch vor Ende der Verhandlung aus dem Saal.

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