Unternehmer haben lange Leitung

IHK stellt Gutachten gegen die Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze vor

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.
Energienetze sind Teil der Daseinsfürsorge.
Energienetze sind Teil der Daseinsfürsorge.

»Die Beteiligung an den Netzen ist keine tragfähige energiepolitische Strategie für Berlin.« Zu diesem Fazit kommt die Industrie- und Handelskammer (IHK) in einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten. Das gestern zusammen mit dem Beratungsunternehmen SNPC im Ludwig Erhard Haus vorgestellte Gutachten beurteilt die geplante öffentliche Wiederaneignung der Strom-, Gas- und Wärmenetze Berlins negativ.

Vor dem Hintergrund der auslaufenden Konzessionsverträge für Gas (31.12.2012) sowie für Strom und Fernwärme (31.12.2014) soll diese Expertise zu einer »sachlichen Diskussion anregen«, erläuterte SNPC-Chef Robert Koch.

Da sich auch das Land Berlin am Ausschreiben für die neuen Verträge beteilige, sei es Anliegen der IHK, »marktkonforme und wettbewerbsorientierte Lösungen« zu propagieren, sagte Hauptgeschäftsführer Jan Eder.

Koch betonte die große Bedeutung der Netze für die Infrastruktur der kommunalen Daseinsvorsorge. Zweck einer Rekommunalisierung müsste einerseits die Verwirklichung energiepolitischer Ziele und anderseits solide Wirtschaftlichkeit für Berlin sein. Diese Zielsetzungen erfülle ein Netzrückkauf nach Meinung der IHK nicht.

Anhand präsentierter Zahlen erörterte Eder, dass sowohl eine Teil-, als auch eine Vollrekommunalisierung zwanzig Jahre lang keine Rendite erzielen würden. »Als vernünftig denkender Politiker und Financier muss man sagen: Hände weg vom Netz, Berlin!«, schlussfolgerte Eder mit Verweis auf die Verschuldung der Stadt. Politische Forderungen nach einem Netzrückkauf tat er als »Akt des Wohlfühlens mit einem hohen Grad an Emotionalität« ab.

Nikolaus Karsten, Abgeordneter der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, wies diese Vorwürfe zurück. Die dargestellten Zahlen bestätigen vielmehr, dass eigene Stadtwerke solide wirtschaften können. Voraussetzung sei eine hundertprozentige Netzeffizienz, die Berlin aber vorweisen würde.

»Natürliche Monopole der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Wasser und Strom müssen in kommunaler Hand sein«, erklärte Karsten gegenüber »nd«. Seine Partei setze sich schon seit längerer Zeit für eine Rekommunalisierung der Energienetze ein, so der Sozialdemokrat.

Gemeinsam mit dem »Berliner Energietisch«, der auch von der Linkspartei unterstützt wird, will die SPD-Fraktion diese Position auch gegen den Koalitionspartner CDU behaupten.

Unterstützung kommt von dem globalisierungskritischen Netzwerk »Attac« und dem »Bürgerbegehren Klimaschutz e.V.«. In einer gemeinsamen Broschüre fordern sie die Gründung Berliner Stadtwerke als Teil einer zukunftsfähigen, gemeinwohlorientierten und ökologischen Netzinfrastruktur. Profitorientierte Netzbetreiber seien »nicht der geeignete Partner, um die Energiewende auf Verteilnetzebene zu befördern«, erklärten die Initiativen.


IHK-Gutachten

Jedes Gutachten ist interessengeleitet. Dass die Unternehmervertreter von der Industrie- und Handelskammer (IHK) gegen Rekommunalisierung in Berlin sind, ist deshalb wenig überraschend. Ärgerlich ist jedoch, dass die IHK-Gutachten als »seriös« gepriesen werden. Ein Blick zurück: Anfang April 2011 stellte die IHK ein Gutachten zum Thema Wasser-Rekommunalisierung vor. 1,92 Milliarden Euro wäre ein niedriger Kaufpreis für die privaten Anteile von 49,9 Prozent an den Berliner Wasserbetrieben, hieß es damals. Inzwischen ist bekannt, dass RWE 645 Millionen Euro für seine Anteile erhält, Veolia fordert dasselbe. Summiert ergibt das eine Summe von 1,3 Milliarden Euro. Der IHK-Gutachter lag also mit seiner Einschätzung mehr als 600 Millionen Euro daneben. MK

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