Bis 1998 waren die traditionellen Feste der Kurden in der Bundesrepublik ein Grund für Politikergeschrei und Polizeiaufmärsche. Jetzt öffnet sogar der Fußballverein Schalke 04 sein Stadion für ein Kurdenfest.
Das modernste Stadion Deutschlands, die Arena »Auf Schalke« in Gelsenkirchen, war am vergangenen Samstag fest in kurdischer Hand. Unter dem Motto »Frieden braucht Gerechtigkeit« feierten Zehntausende von Kurden aus ganz Europa das 10. Internationale Kurdische Kulturfestival 2002.
Die 70000 Plätze des Stadions wiesen zwar viele Lücken auf, doch für die Kurden ist das Festival auch ein großes Familientreffen, zu Tausenden spazierten sie außerhalb des Stadions. »Wir können sie ja nicht auf die Plätze zwingen«, so eine der Organisatorinnen. Aus allen Teilen Europas waren die Kurden angereist. Die Menschen lagerten auf den sparsamen Rasenflächen und verzehrten ihr mitgebrachtes Picknick. Ältere Leute trugen stolz ihre traditionelle kurdische Kleidung: Männer in weiten Hosen mit breit um die Hüften gewickelten Schals, Frauen in festlichen langen Kleidern. Manche der fein gewebten Kopftücher waren eingefasst von Rosetten in rot-grün-gelb oder auch mit dem hier zu Lande noch immer verbotenen Symbol der früheren Nationalen Befreiungsfront Kurdistans, ERNK: roter Stern auf gelbem Grund.
Die überwiegende Mehrzahl der Besucher waren junge Leute, denen es vor allem um »Frieden und Gerechtigkeit« geht. Nach der Begrüßung durch den Schalke 04-Manager Assauer erläuterte der Vorsitzende Vorsitzende des Verbandes kurdischer Vereine in der Bundesrepublik, Mehmet Demir, das Anliegen des Festivals. Frieden und Demokratie in der Türkei werde sich »positiv auf den Mittleren Osten auswirken,« so Demir. Mit Sorge beobachte man »die Pläne einiger Staaten für einen Militärschlag gegen den Irak«.
Ein Krieg sei nicht nur negativ für die Kurden, er werde »das politische Gleichgewicht auf der Welt erschüttern«. Die Reden im Rahmen des achtstündigen Kulturprogramms waren teilweise vom Wahlkampf in der Türkei und in Deutschland bestimmt. Neben dem stellvertretenden Vorsitzenden der türkischen »Demokratiepartei« (HADEP), Ahmet Turan Demir, sprachen auch Sabahattin Karakoc, Platz 3 der PDS-Liste NRW für den Bundestag, und der bündnisgrüne Politiker Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, dessen Wahlkreis in Gelsenkirchen liegt. Volmer sprach vom Verdienst von Rot-Grün, »der Türkei die Tür nach Europa geöffnet« zu haben. Der PDS-Politiker Karakoc kritisierte die »Doppelmoral« der Bundesregierung. Einerseits fordere sie die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei, schiebe aber Flüchtlinge dorthin ab. Karakoc forderte die Aufhebung des PKK-Verbots. Ahmet Turan Demir (HADEP) bekräftigte die Entschlossenheit seiner Partei, zu den Wahlen am 3. November in der Türkei anzutreten. Im Gespräch mit dem ND verwies er auf Umfragen, die der HADEP bis zu 15 Prozent der Stimmen voraussagen und erläuterte die Gründung eines Linksbündnisses mit verschiedenen Parteien zur Wahl. Träger des Bündnisses soll die Demokratische Volkspartei (DEHAP) sein.
Für zwei Mitarbeiter der Schalke 04 Catering GmbH & Co. KG war der Tag »eher ruhig«. »Eine schöne Abwechslung«, meinte der Mann, der sich als der »Oberkellner Food« vorstellte, natürlich ein Schalke Fan. Für ihn und seinen Kollegen, einen Zapfer, sei das »Auf Schalke« mehr ein Hobby. Man könne bei Fußballspielen die Stars hautnah erleben und das Geschehen auf den zahlreichen Fernsehschirmen in der VIP-Lounge verfolgen. Für die Teamleiterin der Verpfleger war es eher »zu ruhig«. Die Kurden hatten ihr eigenes Personal und Essen mitgebracht, Alkohol wurde nicht ausgeschenkt. So ein Kulturfestival sei für sie ungewöhnlich, doch interessant. Man kenne die Geschichte der Kurden ja, meinte sie.
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