Der dunkle Schatten von Lance Armstrong

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Tom Mustroph, Radsportautor und Dopingexperte, berichtet zum elften Mal für »nd« von der Tour de France.
Tom Mustroph, Radsportautor und Dopingexperte, berichtet zum elften Mal für »nd« von der Tour de France.

Der eine schweigt, ein anderer ist enttäuscht, ein Dritter liest vom Blatt ab. Der Schatten von Lance Armstrong hat die Tour de France erreicht. Tagesthema während der 5. Etappe von Rouen nach St. Quentin war nicht die Überfahrt in die Champagne, sondern die Nachricht über vier Zeugen der Dopinganklage gegen den siebenfachen Toursieger.

Laut der holländischen Tageszeitung »De Telegraaf« plant die US-amerikanische Antidoping-Agentur USADA, vier ehemalige Mitglieder der Armstrong-Rennställe US Postal und Discovery Channel mit Dopingsperren von sechs Monaten zu belegen. Es handelt sich um die US-Amerikaner David Zabriskie, Christian Vandevelde, Levi Leipheimer und George Hincapie. Die angekündigte Strafe darf man als Gegenleistung für Aussagen über eigenes Doping und das gesamte Schnellmachersystem bei US Postal und Discovery Channel werten. Der Generalsekretär der Weltantidopingagentur WADA, David Howman, erklärte auf Nachfragen von ND: »Eine Reduzierung der Mindeststrafe von zwei Jahren bei einem Dopingvergehen setzt eine Kooperation bei den Ermittlungen voraus.« Die USADA wollte auf Nachfrage von ND die verkürzten Strafen nicht kommentieren. USADA-Direktor Travis Tygart sagte aber: »Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass die Wahrheit oft unterdrückt werden würde ohne Zeugen, die oft mit hgroßem Nachteil für sich selbst unter Eid aussagen, was sie gesehen und erlebt haben.« Dennoch bedeutet die Nachricht im »Telegraaf«, dass diese vier Männer die Hauptangeklagten im Verfahren, neben Armstrong noch dessen Mentor Johan Bruyneel (Teamleiter Radioshack), belastet haben dürften.

Der Medienauflauf im mächtigen Schatten der Kathedrale von Rouen, die auch schon Zeuge der Verbrennung von Jeanne d'Arc war, ereignete sich dann aber nicht rings um den Teambus von Radioshack, sondern bei Team Garmin. Dort gehörten aktuelle Fahrer, wie auch der Gründer des Rennstalls Jonathan Vaughters, einst zur Entourage von Lance Armstrong. Während Vaughters vor einigen Jahren eigenes Doping zugab und sich danach zum Antidopingkämpfer wandelte, blieben Zabriskie und Vandevelde solche Aussagen bisher schuldig. Die sechsmonatige Sperre legt nahe, dass sie nicht nur von Dopingpraktiken wussten.

Stellung zu dem Verdacht wollte niemand der drei nehmen. Vaughters las lediglich eine Erklärung vor: »Wir haben Team Slipstream (früherer Name von Garmin, Anm. TM) aufgebaut, weil wir ein Team kreieren wollten, in dem Radprofis zu 100% saubere Leistung erbringen können. Es ist eine Organisation mit den zentralen Werten von Ehrlichkeit, Fairness und Optimismus. Wir erwarten, dass jedermann von uns, der von einer Antidopingorganisation oder einer staatlichen Autorität kontaktiert wird, ihr gegenüber offen und ehrlich sein wird.« Vaughters fügte noch hinzu: » Medienberichte über Sanktionen sind unwahr.« »De Telegraaf« hatte allerdings geschrieben, dass die Sperre erst zum Saisonende greifen solle.

Levi Leipheimer wollte gar nichts sagen. George Hincapie schließlich wurde vom BMC-Pressesprecher Georges Lüchinger wie ein Erstklässler auf dem Weg zur Schule zum Einschreiben begleitet, um Reporterfragen abzuwehren. Hincapie ließ sich immerhin ein paar Worte abringen. »Ich bin enttäuscht«, nahm er Bezug auf das Durchsickern der Nachricht von der Sperre. Ansonsten wolle auch er sich auf seine Arbeit bei der Tour de France konzentrieren.

Immerhin steht der Radsport nun vor einem weiteren Reinigungsprozess. Das majestätische Gebäude der Kathedrale von Roiuen ist kein schlechter Hintergund dafür.

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