Neue Generation des Vertrauens

Thomas Voeckler gewinnt erste Alpenetappe der Tour de France - Bradley Wiggins verteidigt das gelbe Trikot

  • Tom Mustroph, Bellegarde-sur-Valserine
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Brite Bradley Wiggins vom Sky-Team hat die erste Alpenetappe schadlos überstanden und beim Sieg des Franzosen Thomas Voeckler auf dem 10. Teilstück der Tour de France sein gelbes Trikot ohne Zeitverlust auf seine direkten Kontrahenten verteidigt. Ausgerechnet Voecklers Team Europcar war vor Beginn der Tour ins Dopingzwielicht geraten, noch aber wurde niemandem ein Missbrauch nachgewiesen.

So werben die Pedaleure weiterhin um das Vertrauen der Fans. Doch Vertrauen ist ein rares Gut. Unter seinen Landsleuten genießt es Bradley Wiggins trotzdem noch in hohem Maße. Beschimpft er Kritiker, die bezweifeln, dass eine Tour ohne Doping gewonnen werden könne, erntet er Beifall im Pressezelt der Tour von meist britischen Journalisten. Auch unter den Fans genießt der dünnarmige Wiggins viel Zuneigung und Vertrauen in die Rechtmäßigkeit seiner sportlichen Leistungen.

»Brad ist 100-prozentig sauber«, sagte im Brustton der Überzeugung ein 20-jähriger Bursche. Er stand mit schön gelegtem blonden Haar und in ein blitzblankes Sky-Trikot gewandet an einer Autobahnmautstelle nahe Macon und versuchte, einen Tag vor dem Peloton den nächsten Zielort Bellegarde-sur-Valserine im französischen Jura zu erreichen. Er hat dies per Trampen schon die vergangenen zwölf Tage getan und wird es bis zum Finale in Paris versuchen. Auch im Vorjahr ist er trampend den Radlern vorausgeeilt. Wenn es exzellent lief bei den Mitfahrgelegenheiten, sah er sie sowohl an Start und Ziel. Hatte er Pech, kam er zu spät und musste gleich zu Start oder Ziel des Folgetages reisen. »Im nächsten Jahr werde ich das nicht mehr tun können. Dann hab ich einen Job«, blickte er bedauernd in die Zukunft.

Umso mehr genießt er das aktuelle Abenteuer. Und die Leistung seines Landsmanns. »Brad hat sich Jahr für Jahr entwickelt. Er kam nicht aus dem Nichts«, versicherte er den Journalisten, die ihn im Auto mitnehmen. »Britischer Radsport hat eine andere Mentalität. Da geht es absolut sauber zu«, sagte er.

Mit dieser Überzeugung gehört der Tramper zu der jungen Generation, die Astana-Teamchef Giuseppe Martinelli gemeint haben mag, als er dem Autor sagte: »Wir haben jetzt einen neuen Radsport. Und zu dem brauchen wir auch eine neue Journalistengeneration. Junge Reporter, die nicht immer die Geschichten der Vergangenheit im Kopf haben, sondern auf den Sport so gucken, wie er ist.« Dabei hatte er durchaus im Sinn, dass sich der Adressat seiner Worte endlich vom Terrain trollen solle. Martinelli sprach vom »neuen Radsport«, 48 Stunden bevor der alte in Form der Festnahme des französischen Radprofis Remy Di Gregorio wegen mutmaßlichen Dopinghandels die aktuelle Tour erschütterte. Die Ermittlungen gegen den Cofidis-Profi begannen pikanterweise in dessen Zeit bei Astana im Jahr 2011. Das ist so nahe Vergangenheit, dass sie die Gegenwart noch streichelt.

Der junge britische Fan - ein Beispiel für die neue unbelastete Generation von Radsportbegeisterten - war nur kurz versucht, zum von Polizei besetzten Teamhotel von Cofidis mitzukommen. »Ein reizvoller Vorschlag, danke«, sagte er. Dann zog er es doch vor, sich gleich nach Bellegarde-sur-Valserine durchzuschlagen. Sein Grundvertrauen ist offensichtlich schwer zu erschüttern. Bleibt zu hoffen, dass die Radprofis dieses zu schätzen wissen, und dass der blonde Bursche im Sky-Trikot nicht doch bald ernüchtert feststellt, getäuscht worden zu sein.

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