Anti-Euro-Wutökonomen

Kurz, Nick, Luft & Hickel

  • Rudolf Hickel
  • Lesedauer: 3 Min.
Anti-Euro-Wutökonomen

»Liebe Mitbürger«, so beginnt das Pamphlet, das mit der Aufforderung endet, »das Thema sehr ernst zu nehmen«. Dazwischen wird eine Mischung aus Angstmache, Anti-Euro-Ideologie und vor allem keinen Alternativen geboten. Im Zentrum der über 200 Unterzeichner des Aufrufs um Hans-Werner Sinn steht die Ablehnung einer Bankenunion. Beschworen wird die ansonsten nicht mehr zu bremsende Kollektivierung der Staatsschulden der Krisenländer. Ohne Zusammenhang wirkt die Behauptung einer drohenden Megainflation wie ein Totschlagargument. Darüber hinaus werden die Profiteure der Rettungsprogramme in der City von London und an der Wall Street agitatorisch den »hart arbeitenden Bürgern anderer Ländern« gegenübergestellt.

Begründungen gibt es keine. So entsteht der Eindruck, dass von der Sehnsucht nach der D-Mark getriebene Stammtischparolen den Brief bestimmen. Dabei leisten sich die »Wutökonomen« handwerkliche Fehler: Im Beschluss des Eurogipfels von Anfang Juli heißt es, dass nur unter harten Bedingungen Banken Rettungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Völlig unwissenschaftlich ist zudem der Verzicht auf eine Alternative zum Euroausbau durch eine Bankenunion. Denn das Verbot dieser treibt den Euro tiefer in die Krise. Dann bleibt nur die Flucht in renationalisierte Währungen.

Einen Vorteil hat das Pamphlet: Ökonomen protestieren. Die Kritik ist eindeutig: Wer die Bankenunion verhindern will, muss den Zusammenbruch des Eurosystems hinnehmen. Ein erstes Kontra präsentierte eine Gruppe um Peter Bofinger und Gustav Horn mit der Schlüsselaussage: »Der Aufruf baut ein Schreckgespenst auf, schürt Furcht und verweigert einen Fachdiskurs.«

Im zweiten Kontra durch Banken- und Finanzmarktökonomen wird die Krise auf »fatale Konstruktionsfehler der Währungsunion« im Maastrichter Vertrag zurückgeführt. Eine Währungsunion ohne Banken-, Fiskal- und Wirtschaftsunion musste demnach scheitern. Dann werden Anforderungen an eine Bankenunion, die »den Zusammenhalt der Währungsunion« sichert, vorgelegt.

Überraschend harsch widerspricht auch der »Rat der fünf Weisen« der Anti-Euro-Propaganda. Eindrucksvoll beschreibt er die Kosten einer Rückkehr zur D-Mark und eine Vision zur Stabilisierung des Euroraums durch eine Bankenunion und weitere Instrumente. Dass nur das Nötigste getan worden sei, habe das Vertrauen in den Euro schmelzen lassen.

Die Forderung nach der Bankenunion stößt auch links auf Kritik. Dabei wurde die Aussage Sahra Wagenknechts, dass bei der Bankenrettung nach geltender Reparaturlogik Gläubiger und Spekulanten profitierten, im Umfeld des rechtspopulistischen Pamphlets missbraucht. Denn gerade eine handlungsfähige Bankenunion dient dem Ziel, diesen Profiteuren das Handwerk zu legen. Über eine gemeinschaftliche Einlagensicherung hinaus muss eine Aufsicht mit harten Eingriffsrechten gegen Missmanagement etabliert werden. Maroden Banken wird eine Restrukturierung, die bis zur Zerschlagung systemgefährdender Geschäftsfelder reicht, verpasst. Dafür muss ein bankenfinanzierter Fonds eingerichtet werden. Strenge Regulierung und Kontrolle sind ebenfalls Voraussetzungen für eine Bankenunion.

In der wöchentlichen nd-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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