Umbau der Berliner Museenlandschaft

  • Lesedauer: 6 Min.
Stein des Anstoßes: In die Gemäldegalerie sollen Werke der Moderne ziehen. Ein Teil der jetzt dort gezeigten Alten Meister müsste, bis ein Ersatzbau am Bodemuseum steht, übergangsweise ins Depot. Doch die Meinungen sind geteilt.

Was zusammen gehört

Die Umzüge innerhalb der Berliner Museumslandschaft 
sollten rasch und furchtlos angegangen werden

Es ist der Stuttgart-21-Effekt: Sehr spät und sehr heftig entfesseln die Pläne für den Umbau der Berliner Museumslandschaft urplötzlich die wohl gepflegte Wut vieler Feuilletonisten und Kunsthistoriker – dabei sind die Vorhaben lange bekannt. Sie wurden (wie einst auch die Bahnhofspläne) jahrelang in den zuständigen Ausschüssen beraten. Neu ist allein der Zeitplan, der durch die kürzliche Bewilligung von 10 Millionen Euro zum Umbau der Gemäldegalerie nun leicht forciert wird, was vielleicht besser hätte kommuniziert werden können, aber dennoch ein Glücksfall ist. War der Kampf gegen den Stuttgarter Bahnhof in der erlebten Heftigkeit schon nicht für jeden nachvollziehbar, so trägt der pauschale Widerstand gegen das fabelhafte für Berlin geplante Museum der Moderne teils absurde Züge.
Nun gibt es – wie immer, wenn etwas zum Besseren verändert werden soll – zahlreiche gute Gründe, alles so zu belassen, wie es ist. Es stimmt, dass die Gemäldegalerie erst 1998 mit viel Geld und noch mehr Gefühlen eröffnet wurde. Unter großem Tamtam wurden hier endlich die von Weltkriegen und deutscher Teilung zerrissenen Sammlungen zusammengeführt – zu heute weltweit bestaunten Beständen. Auch ist nicht zu leugnen, dass das Haus für diesen Zweck perfekt komponiert ist: Das Deckenlicht, die räumliche Großzügigkeit, die um die Säulenhalle gruppierten Säle und Kabinette – all das lässt sich für die Präsentation großer Ölgemälde kaum besser denken. Allein – das (im Innern) perfekte Haus steht am grandios falschen Ort und lockt dort nicht annähernd die Besucher in angemessener Zahl. Mit diesem Problem wurde die Gemäldegalerie in den letzten Jahren von den Feuilletonisten übrigens ebenso allein gelassen wie von den Kunsthistorikern oder Teilen der Politik – also all jenen, die momentan den Status quo zur einzig berechtigten Variante im Museumsspiel erklären.
Die Museumsumzüge stünden im Zeichen zahlreicher Unwägbarkeiten, die es abzusichern gilt – allerdings nur so weit, wie es die hochspannenden Pläne nicht bereits im Keim erstickt. Denn sicher ist: Selbst mit einem (im allerschlimmsten Fall) um zwei Drittel reduzierten Umfang wären die Sammlungen der Alten Meister auch in der Übergangszeit im Bodemuseum ein neuer Star auf der Museumsinsel und nicht zuletzt ein neuer Besuchermagnet, der die Kartenverkäufe des Kulturforums beeindruckend in den Schatten stellen würde. Man kann es einfach nicht leugnen: Die europäischen Meister des 13. bis 18. Jahrhunderts, sie sind momentan ein (zugegeben: erstklassig präsentierter) Fremdkörper zwischen Philharmonie und Neuer Nationalgalerie. Andererseits fehlen sie auf der Museumsinsel. Auch könnte Gemäldegalerie-Direktor Bernd Lindemann in der Übergangszeit aus der Not eine Tugend machen: Wechselausstellungen, Motto-Schauen und größeres Gewicht auf die mit Caravaggio, Rembrandt oder Tizian vorhandenen Hingucker der Sammlungen befriedigen vielleicht nicht die Forscherseele, inspirieren wohl aber den Kunstfan.
So wächst zusammen, was zusammengehört: Wie die Alten Meister die Museumsinsel komplettieren würden, so verbände das dann mögliche Museum der Moderne die über die Stadt verstreuten zeitgenössischen Schätze mit der Sammlung Pietzsch an einem Ort. Eine schlüssige und verführerische Vorstellung. Und die sollte rasch realisiert werden – und eben nicht erst, wenn der Neubau für Alte Meister und Skulpturen steht. Dass Letzterer auf höchstem Niveau und schnell realisiert werden muss, steht natürlich außer Frage.
Insofern haben die momentanen Wutausbrüche auch ihr Gutes: Sie vermitteln eine Ahnung von dem Volkszorn, der losbrechen könnte, würden die Alten Meister im Zuge der Museumsrochade tatsächlich »jahrzehntelang im Depot verschwinden«, wie es jetzt an die Wand gemalt wird.

Von Tobias Riegel, der Verfasser ist Kulturredakteur des Berlinressorts

Unsichtbare Kunst?

Man sollte erst dann umziehen, wenn ausreichend Platz für 
Gemäldegalerie plus Skulpturensammlung vorhanden ist

Wer Sinn für bildende Kunst hat, regt sich derzeit – weit über Berlin hinaus – mächtig auf oder schüttelt ratlos den Kopf. Es ist mehr als ein Sommerlochtheater. Das generell wachsende Misstrauen gegen Politiker und ihre Entscheidungen bekommt kräftig neue Nahrung, und zum verstörenden Meinungswirrwar der Ökonomen oder der Bildungsfachleute kommt der von Kunsthistorikern und Museologen hinzu. Die Berliner Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz überraschten mit der Nachricht, dass in Kürze die 1998 nach langer Vorbereitung fertiggestellte Gemäldegalerie am Kulturforum Potsdamer Straße ausgeräumt werde, weil der Bund eine Summe bereitstellt, das Gebäude für die Unterbringung von weiterer Kunst des 20. Jahrhunderts, neben der Neuen Nationalgalerie, umzubauen.
Anlass: Das Sammlerehepaar Pietsch schenkt seine Werke nur, wenn sie alle ausgestellt werden. Für die Gemälde des 13. bis 18. Jahrhunderts, darunter Spitzenwerke der Weltkultur, die dafür weichen sollen, ist aber derzeit kein Platz vorhanden. Sie sollen jahrelang im Depot verschwinden, bis auf dem Kasernengelände am Kupfergraben, gegenüber dem Bode-Museum, das für die ganze Kollektion nicht ausreicht, ein Erweiterungsbau errichtet ist, für den es noch keinen Entwurf gibt. Auch den Befürwortern dieser Entscheidung ist bewusst, dass die Schuldenkrise und die gleichzeitigen Kosten für die umstrittene Rekonstruktion des Berliner Schlosses es ganz unsicher machen, wann es zu dem Erweiterungsbau kommen wird. Von einer der weltweit vollkommensten und bewunderten Sammlungen älterer Kunst wäre nur ein kleiner, vielleicht gelegentlich gewechselter Ausschnitt sichtbar, der sich im Bode-Museum unterbringen lässt. Das beeinträchtigt das Studium der Kunstgeschichte an den Berliner Universitäten und jede Forschung. Möglicherweise geht auch der Titel Weltkulturerbe für die Berliner Museumsinsel verloren.
In dem Vorgang verflechten sich mehrere verschiedene Probleme. Wilhelm von Bode, der um 1900 jahrzehntelang das Wachstum der Berliner Museen bestimmte, stellte Malerei und Plastik zusammen aus, dazu noch Möbel, um stilistische Zusammenhänge zu zeigen. Auch in anderen Ländern finden sich solche »period rooms«, die heute manchen als eher kultur-, denn kunsthistorisch erscheinen, daher nicht die Regel sind. In Berlin soll die Bode-Tradition wieder fortgesetzt werden, was manche ablehnen, weil die Aufmerksamkeit vom jeweils Spezifischen der Malerei und Plastik abgelenkt werde. Es gibt noch andere fachinterne Streitpunkte. Möglichst viel zeigen oder nur wenige Spitzenwerke? Strenge historische Abfolge oder anregende Vergleiche verschiedener Epochen? Trennung nach regionalen bzw. nationalen »Schulen« oder Gegenüberstellung von Niederländern, Deutschen, Italienern, Spaniern usw.? Jede Meinung hat etwas für sich, bietet eine andere Variante von Erkenntnis und Genuss. Vor allem: Dem einen sind »alte Meister« und »Moderne« oder Gegenwartskunst gleich wichtig, andere ergreifen einseitig Partei. Es wird nie Einigkeit geben.
Im Moment kann man meines Erachtens nur dringend raten, von riskanten voreiligen Maßnahmen abzusehen. Man sollte erst dann umziehen, wenn tatsächlich ausreichend Platz für Gemäldegalerie plus Skulpturensammlung vorhanden ist. Da kein Museum seinen gesamten Besitz ausstellt, wäre ein Depot als allgemein zugängliche Studiensammlung ein weiterer Vorzug. Eine kulturelle Schande wäre es, weltweit bewunderte Meisterwerke auf unbestimmte Zeit unsichtbar zu machen und leichtfertig von »paar Jahren« zu reden. Welcher Museumschef möchte damit in die Geschichte eingehen?

Von Peter H. Feist, der Verfasser war Professor für Kunstgeschichte an der Humboldt-
Universität und der Akademie der Wissenschaften der DDR.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal