Platz für Trolle

Das Ausbrechen aus üblicher Landschaftsgestaltung muss nicht viel kosten - eine Aktion in Weimar

  • Steffi Schweizer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der innerstädtische Raum abseits der repräsentativen Markt-, Rathaus- und Theaterplätze ist vielerorts nicht gerade eine Augenweide. Auch jene Orte lebenswert, fantasievoll, bunt und kinderfreundlich zu gestalten - das ist die Grundidee der »Aktion Künstlergärten« .
Monika Lohse, Eleonore Bleicher und Anna Édes (von rechts) auf dem Weimarer »Trollplatz«
Monika Lohse, Eleonore Bleicher und Anna Édes (von rechts) auf dem Weimarer »Trollplatz«

Weimar / Dresden. An einem heißen Freitag Anfang Juli fuhr Monika Lohse (59) nach Weimar. Sie nahm eine Handvoll frisch gemähtes Gras, band einen Kranz, streifte Leggins und Bluse über und setzte sich den Kranz aufs weiße Haar. Dann packte sie den Rekorder aus, stellte ihn auf einen wackeligen Tisch, zog die Regler hoch und begann auf dem Kopfsteinpflaster des Parkplatzes zu rocken. Mit diesem Auftritt gewannen sie und ihre Mitstreiterinnen einen 1. Platz in der Aktion »Künstlergärten«.

Seit acht Jahren lädt die Goethestadt alle zwei Jahre Landschaftsarchitekten ein, ihrer gestalterischen Fantasie freien Lauf zu lassen. Drei Tage lang zeigt sich dann der Weimarer Rollplatz, ein eher bescheidener Ort, auf dem sonst Autos parken, als ein buntes Areal mit grünen Mini-Gärten und fantasievollen Installationen. Das Thema lautete in diesem Jahr mit Bezug zu Skandinavien »Troll-Platz«.

Monika Lohse erzählt, dass die Idee zu »Rock & tRoll« von ihrer ungarischen Praktikantin Anna Édes (30) kam. Ihre fünf mal fünf Meter-Parzelle gestalteten die Frauen als gemähte Wiese mit üppig frischem Gras und gruppierten darauf mannshohe Graspuppen, also Trolle, mit knallbunten Pappnasen. Dazwischen tanzten die Trolle, pardon Gestalterinnen: Monika Lohse, Anna Édes und die Unterstützerin Eleonore Bleicher (61) aus Weimar. Letztere besorgte die Vor-Ort-Logistik und vor allem das mit Sense selbst gemähte Gras. »Denn das hier ist kein low-budget-, sondern ein no-budget-Projekt«, betont Eleonore Bleicher.

Die Spuren der freien Landschaftsarchitektin Monika Lohse, die gemeinsam mit zwei Kolleginnen in Dresden und Umgebung arbeitet, finden sich an namhaften Projekten. Dazu gehören die Gärten der Pensionistenhäuser in Hellerau, die Brühl’schen Terrassen, die Bürgergärten der inneren Neustadt, der Barockgarten des Sächsischen Weingutes Wackerbarth und weitere in Leipzig, Chemnitz, Riesa, Thalheim und Plauen. Und wenn es die Arbeit an den laufenden Projekten erlaubt, nehmen sie an Wettbewerben teil. Auf dem Weimarer Rollplatz war Monika Lohse schon zum zweiten Mal, »um andere Fachleute aus der Branche zu treffen, um sich fantasievoll zu messen und um zu schauen, wie Kollegen ein Thema interpretieren«. Sie erzählt, wie vielschichtig die Arbeit sei, verweist auf verschiedene Formensprachen und Naturmaterialien. Und gesteht, dass solch ein Wettbewerb auch ein »Ausbrechen aus den normalen landschaftsarchitektonischen Projekten« ist. »Es ist positiver Stress und macht viel Spaß.«

Hinter allem Spaß steht der Wunsch, Stadtplaner und Grünflächenämter mögen aus dem Fundus der Ideen schöpfen und innerstädtischen Raum auch abseits der repräsentativen Markt-, Rathaus- und Theaterplätze lebenswert, fantasievoll, bunt und kinderfreundlich gestalten. Die Ideen fließen hier gratis. Monika Lohse nennt das »der Gesellschaft etwas geben«. Ideenfinderin Anna Édes ergänzt: »Wir haben gezeigt, wie mit einfachen Mitteln viel erreicht werden kann.« Die Besucher in Weimar kamen schon am ersten Tag in Scharen und blieben erstaunt bei der lauten Musik mit den rockenden Frauen stehen. »Dann begann es vor allem bei denen aus unserer Generation zu zucken und zu wippen, zuerst ein Arm, dann ein Knie … Und dann hieß es, je oller - je doller,« erzählt Frau Lohse lachend. »Solch ein Thema kann man nur mit Schwung umsetzen. Wir sind sonst immer so akkurat und pünktlich, da tut uns etwas Rhythmus ganz gut! Man ist so alt wie man sich fühlt!«, ergänzt die Frau, die im Jahr 2007 mit ihrer Mannschaft sogar Weltmeisterin im Drachenbootfahren wurde.

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