Die Rache Francos war grausam

Zum 75. Jahrestag der Schlacht von Belchite - Eine Reise in eine gestorbene Stadt

  • Peter Fisch
  • Lesedauer: 5 Min.

Während der Taxifahrt durch die weite, baumlose Landschaft schwiegen wir einträchtig, bis das Ortsschild »Belchite, Pueblo Viejo (Ruinas Historicas)« uns anzeigte, endlich am Ziel zu sein. Die nordspanische Stadt, 50 Kilometer von Zaragoza entfernt, ist eine Geisterstadt. Sie scheint alle Tode der Welt in sich zu tragen. Franco hatte es so gewollt, er ließ Belchite in Trümmer legen. Das Städtchen, in dem einst 3800 Menschen lebten, sollte für ewig ein Zeugnis der »rot-kommunistischen Furie« sein. So die Worte des Diktators 1954. Zudem bedachte er den Ort, an dem einer der blutigsten Schlachten des Spanienkrieges 1936 bis 1939 stattfand, mit einer der höchsten Auszeichnungen seines Regimes, dem »Cruz Laureada de San Fernando«. Seinen blutigen Kampf gegen die demokratisch legitimierte Volksfrontregierung in Madrid hatte der Putschist auch als einen »Kreuzzug im Namen Gottes« auszugeben versucht.

Die Offensive der Republik

Nach seinem blutigen Triumph sollte eine entsprechende Geschichtspolitik seine Diktatur sanktionieren. Dazu gehörte die Errichtung von Erinnerungsstätten. Drei Orten kam eine besondere Bedeutung zu: der Alcazar von Toledo, das »Tal der Gefallenen« (mit einem Mausoleum für den Gründer der rechtsradikalen Falange, Primo de Rivera, und später auch Franco) und das zerstörte Belchite. Doch die tote Stadt »widersetzte« sich ihrer Instrumentalisierung. Sie wurde zum Mahnmal gegen das Vergessen.

Daran änderte auch der Befehl Francos nichts, ein »neues Belchite« aufzubauen. Etwa 500 kriegsgefangene Republikaner mussten hier Zwangsarbeit leisten. Kein Einzelfall in Spanien. Beträchtliche Teile der Infrastruktur des Landes wurden nach Francos Sieg durch gefangene Republikaner wiederhergestellt: Brücken, Straßen, Kasernen, Kanäle, Stauseen etc. Historiker sprechen von 190 Konzentrations- und Straflagern, in denen ca. 280 000 politische Gefangene interniert waren, die als rechtlose Sklaven für die Beseitigung der Kriegszerstörungen schuften mussten.

Das neue Belchite zählt heute 1680 Einwohner. Noch vor einigen Jahren erinnerten hier Straßennamen an Franco, an den 18. Juli 1936, den Tag des Putsches gegen die Volksfrontrepublik, sowie an den Kolonialoffizier Primo de Rivera, der bereits 1923 eine Militärdiktatur in Spanien errichtet hatte. Gelegentlich finden in Belchite Aufmärsche von Alt-Franquisten statt. Hier treffen sich aber auch Gruppen, die an einer schonungslosen Aufarbeitung der Verbrechen des Franco-Regimes interessiert und engagiert sind.

Rückblende: Angesichts der fortgesetzten Bedrohung von Madrid, verbunden mit dem Ziel, Zaragoza dem Feind zu entreißen, beschloss der republikanische Generalstab im Sommer 1937 eine Entlastungsoffensive. Sie begann am 24. August. Zum Sturm auf die Linien der Franquisten wurden 25 000 Mann eingesetzt, darunter Kämpfer der XI. und XV. Interbrigade. Der Gegner hatte dagegen nur 2300 Mann, die allerdings in ausgebauten Festungsanlagen gut verschanzt waren. Nach zwölftägigen erbitterten Kämpfen konnten die Republikaner Belchite erobern. Beide Seiten hatten hohe Verluste erlitten, Gefangene wurden nicht gemacht. Die Gesamtzahl der Gefallenen betrug mindestens 3000.

Der tollkühne singende Held

Willi Bredel verdanken wir kenntnisreiche Darstellungen der harten, unbarmherzigen Schlachten im Aragon. Als Kriegskommissar des Thälmann-Bataillons hat er auch den Kampf um Belchite erlebt. Er berichtete unter anderem über Hermann Drumm, einen jungen Saarländer, der alle mit seiner Fröhlichkeit mitriss und mit »heller, kräftiger Stimme« singend seiner Kompanie voran marschierte. Bredel überlieferte auch die Umstände seines Tod im Kampf um Belchite: »Der Spaßmacher und Sänger Hermann Drumm war der Held des Angriffs; er war tollkühn genug gewesen, durch die Mauerbresche in den Klosterhof zu springen. Eine faschistische Kugel durchschlug ihm den Hals. Dennoch hatte er die Kraft, sich aufzurichten und die bereits abgezogene Handgranate ins Kloster zu schleudern.« Das von Francos Leuten besetzte Kloster konnte daraufhin gestürmt werden. Drumm wurde mit drei weiteren gefallen Kämpfern in dessen Hof beerdigt.

Kurz vor der Befreiung Belchites hatten die Franquisten noch ein Massaker an Einwohnern verübt, die sie der Sympathie mit den Republikanern verdächtigten. Selbst der örtliche Befehlshaber für Belchite, der angesichts der Übermacht der Republikaner zur Kapitulation geraten hatte, wurde von den eigenen Leuten, vom Falange-Chef des Ortes erschossen.

Den Franquisten gelang es, im März 1938 die Stadt zurückzuerobern. Ihre Rache war grausam. Sie vergingen sich sogar an Leichen und ließen auch bereits beerdigte Tote ausgraben und in die Kanalisation werfen - so auch Capitan Hermann Drumm.

Dessen Sohn hat die Reise in die Vergangenheit gewagt, wollte endlich den Ort kennenlernen, an dem sein Vater starb. Während der Taxifahrt von Zaragoza nach Belchite ist er in Gedanken vertieft. Ich wage es nicht, ihn zu stören. Doch dann, in den Trümmern des alten Belchite, erzählt er die Geschichte seines Vaters.

Auf den Spuren des Vaters

Im November 1936 hatte Hermann Drumm zu den Begründern des Thälmann-Bataillons gehört. Wie auch seine Frau Marta war er Mitglied der saarländischen Sozialdemokratie. Sie folgte ihm im Februar 1937 nach Spanien. Marta Drumm half beim Aufbau des Krankenhauses in Albacete, dem Hauptquarter der Internationalen Brigaden, und arbeitete in Katalonien als Krankenschwester in Villa Nueva de la Jara und Vic. Im Dezember kam Hermann junior, der gemeinsamer Sohn von Hermann und Marta, zur Welt.

Im August 1938 verließ Marta Drumm mit dem Kind Spanien. Sie ging nach Frankreich, wo sie eine neue Ehe mit Josef Strasser, einem Kommunisten und ehemaligen Spanienkämpfer, einging. Marta und »Sepp«, so der Spitzname ihres Gatten aus Bayern, kämpften nach der deutschen Besetzung Frankreichs in der Résistance. Nach dem Krieg kehrten sie in den westlichen Teil Deutschlands zurück. Noch im Ankunftsjahr trat Marta in die KPD ein. Im Dezember 1957 übersiedelte die Familie in die DDR. Hermann Drumm jun. wurde Angehöriger der NVA und, inzwischen promoviert, Dozent an der Offiziershochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung, die den Namen eines Sozialdemokraten und Mitbegründers der KPD trug: Franz Mehring.

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