Fataler Irrtum: Weiche zu früh gestellt
Menschliches Versagen offenbar Ursache für S-Bahn-Unglück
Unterdessen verdichten sich die Hinweise, dass dass Unglück in Tegel, bei dem sechs Menschen verletzt wurden, durch menschliches Versagen verursacht wurde. Ein Fahrdienstleiter hat offenbar die Weiche, an der sich der Unfall ereignete, zu früh umgestellt. Vorausgegangen war der Ausfall von Sicherungstechnik durch einen Blitzeinschlag. Danach funktionierten neben Schranken auch Gleisfreimeldeanlagen nicht mehr, die den Mitarbeitern im Stellwerk anzeigen, ob ein Gleisabschnitt gerade von einer S-Bahn befahren wird.
Zum Zeitpunkt des Unglücks war das Stellwerk mit zwei Fahrdienstleitern besetzt, wovon allerdings einer nur zur Einweisung nach längerer Abwesenheit anwesend war. Sie hätten sich auf anderem Wege davon überzeugen müssen, dass der Abschnitt frei ist, bevor die Weiche dann manuell gestellt werden konnte.
Da die Strecke mit der Weiche vom Stellwerk aus nicht einsehbar ist, hätte auf die Rückmeldung vom nächsten Bahnhof gewartet werden müssen, dass der Zug dort eingetroffen ist, so ein Insider gegenüber nd. Dies sei offenbar nicht erfolgt, sondern die Weiche sei »nach Zeit« gestellt worden. Das heißt, der Stellwerker habe solange gewartet, wie ein Zug normalerweise braucht, um nach Ausfahrt aus dem Bahnhof Tegel den Abschnitt mit der Weiche zu passieren. Der fatale Irrtum: Der Zug brauchte diesmal länger, weil er wegen der durch den Blitzeinschlag defekten Schranke langsamer fahren musste.
»Der Fahrdienstleiter war in dieser Situation schlichtweg überfordert«, so der Experte und weist auch den Bahn-Chefs Mitverantwortung zu. »Statt ihn noch mit Ausbildungsaufgaben zu belasten, hätte man ihm nach dem Blitzeinschlag Leute zur Unterstützung schicken müssen.« Überhaupt seien die Fahrdienstleiter schlecht auf solche Störfälle vorbereitet. So sei es in den vergangen Wochen häufiger zu Unregelmäßigkeiten bei Zugmeldungen gekommen.
Offenbar reagiert die Bahntochter DB Netz, die die Stellwerke betreibt, auf diese Vorfälle: Für nächste Woche sind Stellwerker zu Schulungen einbestellt. Die Bahn selbst wollte sich zu diesen »internen« Vorgängen nicht äußern. Die Unfallursache werde noch untersucht. Das Eisenbahnbundesamt bestätigte aber, dass die »betrieblichen Abläufe« im Fokus stünden einschließlich der »Betriebshandlungen im Stellwerk«. Aber auch Fahrzeuge und Infrastruktur würden untersucht. Gesicherte Erkenntnisse gebe es aber noch nicht, so Sprecher Moritz Huckebrink.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.