Die Qualle aus dem Labor
Zellkultur auf Silikon als Muskelersatz?
Es bewegt sich mit pulsierenden Bewegungen schwimmend durch das Wasser und sieht einer Qualle frappierend ähnlich. Doch das, was sich da bewegt, ist kein Lebewesen, es ist das Produkt von Forschern des California Institute of Technology (Caltech) und der Harvard University. Die Bioingenieure haben eine künstliche Meduse, so der wissenschaftliche Name der Qualle, aus Silikonkautschuk und Muskelzellen von Ratten erschaffen. Die sieht aus wie eine Blüte mit acht Blättern. In einer salzigen Flüssigkeit führt das Anlegen einer Wechselspannung dazu, dass die »Blüte« sich wie eine Meduse durch die Flüssigkeit bewegt.
»Von der Morphologie und von den Eigenschaften haben wir eine Qualle gebaut, doch von der Genetik handelt es sich eigentlich um eine Ratte,« sagt der Leiter des Teams, Kevin Kit Parker von der Harvard University in Cambridge (Massachusetts).
Die Forscher, die ihre Ergebnisse im Fachblatt »Nature Biotechnology« (DOI: 10.1038/ nbt.2269) vorstellen, wollen allerdings keine künstlichen Lebewesen entwickeln. Ihr Ziel ist vielmehr ein künstliches Gewebe, das dereinst beispielsweise menschliche Herzmuskel ersetzen kann. Parkers Mitarbeiter haben dafür die Meduse als Vorbild gehabt, da diese die Grundgesetze einer Muskelpumpe auf eindrucksvolle Art und Weise widerspiegelt.
Wie häufig in der Wissenschaft kam der entscheidende Einfall von einem »Nebenschauplatz«: Als er 2007 die Entwicklung einer künstlichen Muskelpumpe schon fast gescheitert sah, besuchte Parker das New England Aquarium und beobachtete dort eine Qualle. »Auf einmal erkannte ich die Gemeinsamkeit und die Unterschiede zwischen dem Meeresbewohner und dem menschlichen Herzmuskel.«
Koautorin Janna Nawroth untersuchte zunächst eine Ohrenqualle und versuchte dann, diese nachzubauen. Dafür kultivierte sie eine Lage Muskelzellen einer Ratte auf einer Silikon-Matrix in Form einer Blüte. Beim Anlegen einer Spannung kontrahiert das Muskelgewebe, danach stellt das elastische Silikon die alte Form wieder her.
Nach dem ersten Erfolg haben die Forscher noch ehrgeizige Ziele: Einen künstlichen Herzmuskel, der nicht auf die Spannung einer Batterie angewiesen ist.
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