Contergan-Hersteller entschuldigt sich nach 50 Jahren
Viele Geschädigte bleiben aber einer Denkmaleinweihung demonstrativ fern
Stolberg (dpa/nd). Der frühere Contergan-Hersteller Grünenthal hat sich erstmals bei den Opfern des Arzneimittelskandals entschuldigt. Bei der Einweihungsfeier des wohl ersten Denkmals für die weltweit 10 000 Opfer sagte Grünenthal-Geschäftsführer Harald Stock gestern in Stolberg bei Aachen, es sei bedauerlich, dass Grünenthal nicht viel früher auf die Geschädigten zugegangen sei. »Darüber hinaus bitten wir um Entschuldigung, dass wir 50 Jahre lang nicht den Weg zu Ihnen, von Mensch zu Mensch, gefunden haben.«
Contergan steht für den größten Medikamentenskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Grünenthal hatte das Schlafmittel 1957 auf den Markt gebracht. Viele Schwangere nahmen es ein, weil es auch gegen Übelkeit half. Doch bald kamen Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt.
Nach Stocks Äußerungen brandete Applaus im Theatersaal des Kulturzentrums auf, in dem die Feierstunde zur Einweihung des Denkmals abgehalten wurde. Es meldeten sich aber auch sofort zwei Kritiker aus dem Publikum zu Wort. Sie warfen Grünenthal vor, finanziell viel zu wenig für die Opfer zu tun. Nach der Ansprache Stocks wurde im Foyer des Stolberger Kulturzentrums ein kleines Denkmal für die Opfer enthüllt, das wohl erste seiner Art. Die Bronzeskulptur des Aachener Künstlers Bonifatius Stirnberg, selbst ein Contergan-Geschädigter, stellt ein Mädchen ohne Arme und mit missgebildeten Füßen auf einem Stuhl sitzend dar. Neben ihm ist noch ein zweiter, leerer Stuhl. Die Kosten in Höhe von 5000 Euro wurden von Grünenthal übernommen.
Genau dies wird von den verschiedenen Geschädigtenverbänden scharf kritisiert. Der Bundesverband Contergangeschädigter - der nach eigenen Angaben den »überwiegenden Teil« der Opfer vertritt - blieb der Einweihungsfeier demonstrativ fern. »Wir sehen das als zynische PR-Maßnahme von Grünenthal«, sagte Verbandssprecherin Ilonka Stebritz der dpa. Für Grünenthal gebe es wirklich Dringenderes zu tun, als ein Denkmal zu sponsern. Die Contergan-Opfer benötigten ganz konkrete Unterstützung, um ihren Alltag zu bewältigen, und diese Unterstützung werde von Grünenthal verweigert.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.