Contergan-Hersteller entschuldigt sich nach 50 Jahren

Viele Geschädigte bleiben aber einer Denkmaleinweihung demonstrativ fern

  • Lesedauer: 2 Min.
Als Schlafmittel verkauft, wirksam auch gegen Übelkeit während der Schwangerschaft. Contergan schädigte jedoch die Kinder im Mutterleib. Viele von ihnen starben kurz nach der Geburt, andere lebten mit Missbildungen. Gestern weihte der Hersteller Grünenthal Jahrzehnte nach den Vorfällen ein Denkmal ein. Die Geschädigten sehen darin eine PR-Aktion.

Stolberg (dpa/nd). Der frühere Contergan-Hersteller Grünenthal hat sich erstmals bei den Opfern des Arzneimittelskandals entschuldigt. Bei der Einweihungsfeier des wohl ersten Denkmals für die weltweit 10 000 Opfer sagte Grünenthal-Geschäftsführer Harald Stock gestern in Stolberg bei Aachen, es sei bedauerlich, dass Grünenthal nicht viel früher auf die Geschädigten zugegangen sei. »Darüber hinaus bitten wir um Entschuldigung, dass wir 50 Jahre lang nicht den Weg zu Ihnen, von Mensch zu Mensch, gefunden haben.«

Contergan steht für den größten Medikamentenskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Grünenthal hatte das Schlafmittel 1957 auf den Markt gebracht. Viele Schwangere nahmen es ein, weil es auch gegen Übelkeit half. Doch bald kamen Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt.

Nach Stocks Äußerungen brandete Applaus im Theatersaal des Kulturzentrums auf, in dem die Feierstunde zur Einweihung des Denkmals abgehalten wurde. Es meldeten sich aber auch sofort zwei Kritiker aus dem Publikum zu Wort. Sie warfen Grünenthal vor, finanziell viel zu wenig für die Opfer zu tun. Nach der Ansprache Stocks wurde im Foyer des Stolberger Kulturzentrums ein kleines Denkmal für die Opfer enthüllt, das wohl erste seiner Art. Die Bronzeskulptur des Aachener Künstlers Bonifatius Stirnberg, selbst ein Contergan-Geschädigter, stellt ein Mädchen ohne Arme und mit missgebildeten Füßen auf einem Stuhl sitzend dar. Neben ihm ist noch ein zweiter, leerer Stuhl. Die Kosten in Höhe von 5000 Euro wurden von Grünenthal übernommen.

Genau dies wird von den verschiedenen Geschädigtenverbänden scharf kritisiert. Der Bundesverband Contergangeschädigter - der nach eigenen Angaben den »überwiegenden Teil« der Opfer vertritt - blieb der Einweihungsfeier demonstrativ fern. »Wir sehen das als zynische PR-Maßnahme von Grünenthal«, sagte Verbandssprecherin Ilonka Stebritz der dpa. Für Grünenthal gebe es wirklich Dringenderes zu tun, als ein Denkmal zu sponsern. Die Contergan-Opfer benötigten ganz konkrete Unterstützung, um ihren Alltag zu bewältigen, und diese Unterstützung werde von Grünenthal verweigert.

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