Eiswürfel vom Schiedsrichter

Hertha BSC gewinnt emotionsgeladenes Stadtderby mit 2:1 beim 1. FC Union Berlin

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Frust beim 1. FC Union saß tief. Nach der 1:2 (0:1)-Heimniederlage im Berliner Stadtderby gegen Hertha BSC lagen die Nerven blank. Die Defensivspieler Markus Karl und Christian Stuff diskutierten heftig miteinander auf dem Platz. Mittelfeldspieler Christopher Quiring ließ seinen Frust gleich im TV-Interview ab. »Mein Tor ist mir scheißegal. Wenn die Wessis in unserem Stadion jubeln, krieg ich das Kotzen«, sagte der 21-Jährige, dessen zwischenzeitliches Tor zum 1:1 am Ende des stimmungsvollen und kampfbetonten Derbys nur wenig Wert hatte.

Am Tag nach der Derbypleite sah Quiring, der früher selbst zu den Union-Fans auf der Waldseite im Stadion An der Alten Försterei gehörte, alles etwas entspannter. »Ich war direkt nach dem Spiel einfach nur stinksauer. Nach meinem Tor dachte ich, wir drehen das Ding, stattdessen laufen wir in einen saudummen Konter. Ansonsten genügt wohl ein Blick auf mein Geburtsdatum, um zu erkennen, dass das nicht politisch gemeint war«, so Quiring. »Wenn sich jemand dadurch angegriffen gefühlt hat, tut mir das leid.«

Die Entschuldigung Quirings ändert nichts an der sportlichen Misslage. Nach nur einem Punkt aus vier Spielen hängt Union weiter in der Abstiegszone fest. Das Saisonziel, Platz fünf bis sieben, ist außer Sichtweite. »Im Moment scheinen wir sehr weit davon entfernt zu sein. Wir müssen nun von Spiel zu Spiel denken und Punkte sammeln«, sagte Trainer Uwe Neuhaus. »Jetzt haben wir einige Wochen vor der Brust, nach denen wir vielleicht das Ziel korrigieren müssen. Momentan mache ich mir darüber noch keine Gedanken. Wir hatten zuletzt häufiger einen schlechten Start.« Union musste den Verlust des inoffiziellen Stadtmeistertitels zudem teuer bezahlen. Torsten Mattuschka erlitt eine Schultereckgelenksprellung, Michael Parensen einen Haarriss am Wadenbein. Bei beiden ist offen, ob sie nach der Länderspielpause am 14. September beim FC Ingolstadt auflaufen können.

Hertha BSC sieht den nächsten Wochen jetzt gelassener entgegen. »Wir mussten unglaublich viel investieren«, sagte Trainer Jos Luhukay. »Ich bin froh, dass die Mannschaft über 90 Minuten als Team fungiert hat. Wir haben in der Tabelle einen Schritt in die richtige Richtung gemacht.« Nach dem zweiten Sieg in Folge, den Tore von Sandro Wagner und Ronny sicherten, kletterte Hertha auf den sechsten Rang. Noch wichtiger war vielen Spielern und den Hertha-Fans unter den 16 750 Zuschauern jedoch die Tilgung einer Schmach. In der Zweitligasaison 2010/11 hatte der Verein in den direkten Duellen gegen Union (1:1, 1:2) den Kürzeren gezogen. »Der Sieg bedeutet eine Menge, auch wenn er nur drei Punkte gebracht hat. Wir haben einen Befreiungsschlag geschafft«, sagte Kapitän Peter Niemeyer. »Union hatte in der der ersten Halbzeit gar keine Chance. Und wir besitzen die individuelle Klasse, unsere Chancen zu nutzen. Das ist vielleicht der Unterschied.«

Niemeyer gehörte zu den Derby-Verlierern im Februar 2011. Kein Wunder, dass er besonders heiß war. Das fiel auch Schiedsrichter Peter Gagelmann auf. »Der Schiri hat mir nach der Halbzeitpause zwei Eiswürfel in die Hand gedrückt. Ich sollte mich mal ein bisschen abkühlen. Das habe ich auch noch nicht erlebt«, erzählte Niemeyer lachend.

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