»Diese Idee ist abstoßend«

Widerstand gegen Pläne für Krematorium nahe der Gedenkstätte Majdanek

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Lubliner Beerdigungsunternehmer will in der ostpolnischen Stadt ein Krematorium bauen - in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers Majdanek.

Nachdem die römisch-katholische Kirche vor etwa 20 Jahren die Einäscherung von Verstorbenen und Urnenbegräbnisse nicht mehr als Sünde ansah und diese auf ihren konfessionellen Friedhöfen zugelassen hatte, änderte sich auch in Polen die Bestattungskultur und das geschäftliche Angebot der Beerdigungsinstitute.

In der etwa 350 000 Einwohner zählenden ostpolnischen Stadt Lublin, die sich zweier Universitäten rühmt - eine davon ist katholisch -, wurde die »modernere« Beerdigung nicht praktiziert. Es gab dafür kein Krematorium.

Seit 2008 bemühte sich die Bestattungsfirma »Styks« um die Erlaubnis, eine Leichenverbrennungsanlage zu bauen. Die Stadtverwaltung - so das Pressebüro des Magistrats - hatte eigentlich nichts dagegen. Sie beanstandete aber entschieden, dieses Bauwerk in der Nähe des ehemaligen KZ Majdanek errichten zu lassen. »Das wäre für uns eine unglückliche Idee«, sagte der Pressesprecher.

In diesem Konzentrationslager, wo die Nazis im Oktober 1941 (also zur Zeit, als die deutsche Wehrmacht gerade Richtung Moskau rollte) die ersten polnischen Häftlinge einkerkerten, wurden bis Juli 1944, als die Stadt und das Lager von Soldaten der Roten Armee befreit wurden, rund 80 000 Menschen von den Nazi-Schergen ermordet. Davon waren 60 000 Juden. Daran erinnert auf dem Gelände des Majdanek-Museums ein Mahnmal, in dem sich die Asche der Opfer befindet. Die Museumssprecherin Agnieszka Kowalczyk zu »nd«: »Hier gleich nebenan Leichen einzuäschern, wäre für uns unvorstellbar.«

Das war und bleibt auch die Meinung der Stadtverwaltung. Die bereits vor vier Jahren negative Haltung zu dem »Styks«- Vorhaben ist unverändert. Das Pressebüro bestätigte gestern dem »nd«-Korrespondenten die für heute erwartete Entscheidung des Stadtrates, das Krematorium an der von der Bestattungsfirma gewünschten Stelle nicht bauen zu lassen. Stadtpräsident Krzysztof Zuk plädiere für eine generelle Erweiterung der Schutzzonen um Orte des Gedenkens.

Roman Litman erklärte im Namen der Jüdischen Gemeinde der Stadt Lublin (vor dem Krieg befand sich dort die größte Talmud-Schule der Welt): »Würde da jetzt eine Leichenverbrennungsanlage gebaut, dann könnte das jeder mit dem Rauch aus dem Krematorium im Majdanek-KZ assoziieren.«

Die Anti-Defamation-League in den USA unterstützt voll und ganz diese Meinung: »Diese Idee ist abstoßend.«

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