Wer allein schreibt, ist selber Schuld

Nachwuchsautoren feiern ihre erste Buchpremiere

  • Henry-Martin Klemt
  • Lesedauer: 3 Min.
Hier habe ich die wichtigsten Leute in meinem Leben getroffen«, sagt Jan Lewkowitz. Der 17-jährige Gymnasiast aus Frankfurt (Oder) schaut in die naturwüchsige Landschaft, die sich hinter Schloss Trebnitz breitet. Zwei Dutzend brandenburgische Jugendliche haben für eine Woche von diesem Ort Besitz ergriffen. Zweimal im Jahr treffen sie sich, um über ihre Texte zu sprechen. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert nun schon. 1974 begannen der Schriftsteller Hans Weber und das Autorenehepaar Hildegard und Siegfried Schumacher mit diesen »Spezialistenlagern für schreibende Schüler«. Nach dem Tod Webers retteten die Schumachers ihre Initiative über die Verwüstung der brandenburgischen Kulturlandschaft hinweg. Später gaben sie den Staffelstab an Jüngere weiter, die einen Verein gründeten und sich auf Sponsorensuche begaben. »Leider sind die Eigenbeiträge trotzdem gestiegen«, erzählt René Schmidt. Aber ein Ferienlagerplatz kostet ungefähr ebenso viel. Als Geschäftsführer des Literaturkollegiums Brandenburg in Potsdam hat Schmidt die Kooperation mit der größten Schriftstellervereinigung des Landes auf den Weg gebracht. »Wir helfen bei der Logistik, mit Geld und Kontakten.« Außerdem unterstützen das Landesjugendamt, der Bundes-Förderkreis Amateurkunst und die Wohnbauten Schwedt GmbH das Projekt. So können sich die Nachwuchsautoren schon zum 56. Mal auf Zuspruch und Kritik von Fachleuten wie der Germanistin Carmen Winter oder dem Schriftsteller und Drehbuchautor Manfred Richter stützen. »Ich bin ungeheuer gern hier«, gesteht der 72-Jährige. »Es ist gut, nicht den Kontakt zu Jüngeren zu verlieren, und es ist auch ein gegenseitiger Erziehungsprozess.« Carmen Winter hilft den Jüngeren, ihre noch nicht verschüttete Phantasie in den Texten auszuleben und diskutiert mit ihnen. Der Illustrator und Autor Manfred Bofinger liest aus seinen Kindheitserinnerungen »Der krumme Löffel« und schwingt für sein Publikum auch den Zeichenstift. Jedes Treffen steht unter einem neuen Thema und wendet sich gezielt einem bestimmten Genre zu. Diesmal sind es die Form des Märchens und das Motto »Vom Fremden«. Wer den besten Text dazu vorlegen kann, erhält den »Themenpreis« der Werkstattwoche. Der begehrte »Spezi-Preis« wird für eine längere kontinuierliche literarische Entwicklung vergeben. Gemeinsame Exkursionen bieten neue Schreibanlässe. »So entsteht eine Atmosphäre, die wirklich kreativ ist«, meint Marie Meihsner. Die 17-jährige Abiturientin aus Schwedt hat sich im Spezi-Lager ihren Freundeskreis geschaffen, auf den sie sich immer wieder freut: »Wer allein schreibt, ist selber schuld.« Heute um 19 Uhr feiern die brandenburgischen Schreibtalente in der Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Schloss Trebnitz ihre erste Buchpremiere. »Vielleicht sieht alles ganz anders aus«, heißt die 75 Seiten starke, von Monique Doil liebevoll illustrierte Anthologie. Die Jugendlichen haben sie ihrer Mitstreiterin Püppi gewidmet, die eigentlich Rahel Weber hieß und mit knapp zwanzig Jahren Opfer ihrer Krankheit wurde. »Wir wollten unserer Freundin ein kleines Denkmal setzen«, erklärt Schmidt. Das überzeugte auch die Popgruppe ECHT, deren bekennender Fan Püppi war. Mit ihrer Spende machten die Musiker die Publikation erst möglich. Geschichten und Gedichte aus vier Jahren Spezi-Lager sind in dem Buch gesammelt. Das Themen-Spektrum reicht vom Traumprinz bis zum Krieg in Kosovo. Für sieben Mark kann es beim Literaturkollegium Brandenburg (Telefon: 0331-6012869) bezogen werden.

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