Beim Bäcker geht der Ofen aus

Viele Betriebe können sich nicht gegen Billigkonkurrenz behaupten

  • Birgit Reichert und Ute Wessels, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Es gibt immer weniger Bäcker mit eigener Backstube im Land. Seit der Jahrtausendwende haben in Rheinland-Pfalz rund 500 Betriebe dicht gemacht. Auch wegen der Konkurrenz zu Discountern. In Trier geht jetzt wieder ein Ofen aus.

Die Tage der Bäckerei Sudbrack in Trier sind gezählt. Noch bis Mitte November wird Bäcker Dirk Rauch fleißig Brot, Brötchen und Kuchen backen - dann geht der Ofen aus. Seine Bäckerei schließt - nach einer gut 100-jährigen Geschichte. »Natürlich sind wir traurig«, sagt der 45-Jährige, der den Laden in den vergangenen 14 Jahren mit seiner Frau Jutta Rauch geführt hat. Ihr Pachtvertrag wurde nicht verlängert, ein Neuanfang kommt für sie nicht infrage.

Die Bäckerei ist eine von Hunderten, die in den vergangenen Jahren in Rheinland-Pfalz dicht gemacht haben. Gab es nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks Anfang des Jahres 2000 noch 1482 Bäckereien im Land, waren es 2011 nur noch 972. Die Gründe für das »Bäckerei-Sterben« sind vielfältig. Einer ist die wachsende Konkurrenz zu Supermärkten, Discountern - und vor allem zu Back-Shops. »Die sind teils bis zu 60 bis 80 Prozent billiger«, sagt der Geschäftsführer des Bäcker-Innungs-Verbands Südwest, Helmut Münch, in Kaiserslautern. Die Teiglinge würden weltweit in großer Stückzahl eingekauft. »Sie brauchen keine Backstube, keine Teigrolle und kein Fachpersonal«, sagt Münch. Sein Verband zählt 190 Mitgliedsbetriebe, 2002 waren es noch fast 400.

Das schwierige Umfeld treibe manche Bäckerei in die Insolvenz, sagt Münch. Andere finden keinen Nachfolger mehr. Und wieder andere keinen passenden Ladenraum. »Wir hätten gerne weitergemacht«, sagt Rauch. Wir haben aber keine bezahlbaren neuen Räume gefunden.« Sein Geschäft sei in den vergangenen Jahren »Null auf Null« aufgegangen. »Den Profit, den der Bäcker früher gemacht hat, gibt es nicht mehr«. Vor allem die gestiegenen Energiekosten hätten die Bilanz belastet.

»Brot ist heute zu einem beliebigen Produkt geworden, das man auch im Discounter und Baumarkt kaufen kann«, sagt Bäcker Raimund Licht aus dem Moselort Lieser. Die Qualität spiele bei vielen Kunden keine Rolle mehr. Es sei einfach praktisch, beim Einkauf im Supermarkt alles auf einmal einzukaufen, sagt der Obermeister der Bäckerinnung Bernkastel-Wittlich. »Viele Leute wissen gar nicht mehr, wie ein richtig gutes Brot aussieht und schmeckt.« Bei jeder Bäckerei, die schließt, geht auch ein kleines Stück Brotkultur verloren. »Wir nehmen unsere Rezepte alle mit«, sagt Jutta Rauch.

Der bayerische Innungs-Obermeister Heinz Hoffmann rät seinen Kollegen, mit Qualität und Service zu punkten. Bäckermeister müssten kreativ sein und sich neue Märkte erschließen, etwa durch Kooperationen mit Altenheimen oder Krankenhäusern. Viele Bäckereien haben Cafés und Imbiss-Theken integriert und bieten Snacks zum Mitnehmen an. Müsse ein Betrieb aufgeben, habe das nicht immer mit Größe zu tun, sondern oft mit einem veralteten Konzept und mangelnden Ideen.

Bäcker Licht in Lieser hat immerhin festgestellt, dass »der kleine, feine Bäcker vor Ort auch zum Exoten und Geheimtipp« werden könne. »Wenn man bei uns die Backstube riecht, und wenn wir weg vom Beliebigen kommen, dann kommen die Kunden auch zu uns.« Für Bäcker Rauch ist das allerdings kein wirklicher Trost. Er verkauft gerade seine Maschinen in der Backstube. Was danach kommt, weiß er nicht.


Kleinere Brötchen

  • Schätzungsweise verschwinden jährlich rund drei Prozent der Bäckereibetriebe in Deutschland.
  • Laut bundesweitem Zentralverband gab es vor rund 60 Jahren im alten Bundesgebiet noch 55 000 Bäckereien. Anfang der 1990er Jahre waren es noch 26 000. Inzwischen (2011) sind es noch gut 14 000.
  • Mehr als 70 Prozent der Bäckereien bleiben unter einer halben Million Euro Umsatz im Jahr. Insgesamt erwirtschaften diese knapp zwölf Prozent des Gesamtumsatzes.
  • Auf der anderen Seite erzielen drei Prozent der Betriebe jeweils mehr als fünf Millionen Euro Jahresumsatz und teilen sich 60 Prozent des Kuchens. (dpa/nd)
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