Genosse mit Gerechtigkeits-Gen

Ministerpräsident Platzeck mit 93,5 Prozent als SPD-Landesvorsitzender bestätigt

Die SPD regiert in Brandenburg mittlerweile 22 Jahre lang. Zwölf Jahre davon ist Ministerpräsident Matthias Platzeck bereits SPD-Landesvorsitzender, und er wird es für weitere zwei Jahre bleiben. Die Delegierten eines Parteitags in der Fläminghalle von Luckenwalde bestätigten ihn am Sonnabend mit 93,5 Prozent der Stimmen. Das entspricht etwa dem Ergebnis von vor zwei Jahren, als Platzeck 93,7 Prozent erhalten hatte.

Dass die SPD sich auch in schweren Zeiten behaupten konnte - Platzeck erinnerte an die grassierende Arbeitslosigkeit und den massenhaften Wegzug der Jugend in den 1990er Jahren -, das erklärte der Parteichef in Luckenwalde so: Die Sozialdemokraten gaben sich niemals zufrieden, wollten immer ein besseres Leben und mehr Gerechtigkeit für die Menschen erreichen. »Das liegt wohl in unserer politischen DNA.«

Ausführlich rühmte Platzeck in seiner Rede die gemeinsam mit der LINKEN erzielten Erfolge: Die Arbeitslosigkeit sei seit 1990 niemals so niedrig gewesen wie jetzt, Jugendliche mit ordentlichen Schulabschlüssen können eine Lehrstelle in ihrer Heimat finden, die Bildungsausgaben liegen im Haushalt 2014 um 117 Millionen Euro über denen des Jahres 2009. Der SPD-Politiker würdigte auch das von Rot-Rot eingeführte Schüler-Bafög. Er beschwerte sich dabei über die CDU, die doch tatsächlich frage: »Was sind schon 100 Euro im Monat?« Die Konservativen haben »bis heute nicht begriffen«, wie es armen Familien im Land gehe und was für eine Hilfe da 100 Euro bedeuten, findet Platzeck.

Er räumte aber auch ein, dass die Dinge »in einem außerordentlich wichtigen und überregional beachteten Fall« gründlich schief gegangen sind. Dass der Eröffnungstermin des neuen Hauptstadtflughafens »Willy Brandt« in Schönefeld mehrmals verschoben wurde, sei »kein Ruhmesblatt für unser Land« und auch für ihn selbst. Die Verzögerung und die Kostensteigerungen seien auch deshalb ein schwerer Schlag, weil sie einen Schatten auf das ansonsten positive Bild Brandenburgs werfen, bedauerte Platzeck. Niemand im Bundesland ärgere sich über diesen Fehlschlag so sehr, wie er selbst das tue, betonte der Ministerpräsident. Er könnte relativieren, »dass wir trotz allem einen der modernsten und leistungsfähigsten Airports in Europa besitzen werden« - nur später. Er könnte auf die Arbeitsplätze, den wirtschaftlichen Aufschwung und die Steuereinnahmen verweisen, die es bereits heute durch den Flughafen gebe. Doch diese Argumente »bieten derzeit nur schwachen Trost«, wusste Platzeck.

Immerhin glaubt er, dass die Flughafengesellschaft nun wieder Boden unter die Füße bekommen hat und der zuletzt genannte Eröffnungstermin im Herbst 2013 wirklich gehalten wird. 61 Prozent der Brandenburger teilen diese Zuversicht nicht. Sie erwarten, dass es wieder nichts wird. Das Ansehen des Ministerpräsidenten ist dennoch kaum angekratzt. Immer noch 67 Prozent der Bürger sind mit ihm zufrieden oder sogar sehr zufrieden.

Anträge für ein erweitertes Nachtflugverbot in Schönefeld scheiterten beim SPD-Parteitag. Verkehrsminister Jörg Vogelsänger hatte zuvor argumentiert, der Airport müsse sich wirtschaftlich entwickeln, ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr wäre ein Hindernis.

SPD-Generalsekretär Klaus Ness zeigte sich zuversichtlich, dass der Landesverband alle in den kommenden zwei Jahren anstehenden Urnengänge gewinnt: Bundes-, Kommunal-, Europa- und Landtagswahl. Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die SPD die Hälfte der märkischen Wahlkreise abtreten müssen - vier an die LINKE und einen an die CDU. Ziel soll es aber sein, bei der Abstimmung im kommenden Jahr wieder alle zehn Wahlkreise zu gewinnen, sagte Ness. Eine Koalitionsaussage für die Landtagswahl 2014 machte er nicht. »Wir werden von Liebesangeboten überhäuft werden«, erwartet er. Es werde Annäherungsversuche nicht nur von LINKE und CDU geben, sondern auch von den Grünen, vielleicht sogar von den Piraten, wobei Ness nach Kenntnis der jüngsten Umfragewerte jedoch hofft, dass deren Aufschwung vorbei ist und die Piraten den Einzug in den Landtag gar nicht schaffen. Platzeck sagte, die SPD werde abwarten und beobachten, ob die CDU, die sich mit der zurückgetretenen Landes- und Fraktionschefin Saskia Ludwig in einem »rechten Paralleluniversum« eingerichtet hatte, unter einer neuen Führung zur Besinnung komme.

Der Parteitag beschloss nach langer Arbeit ein Konzept, wie Brandenburg im Jahr 2030 aussehen soll. In dem Leitbild hat die Braunkohle ihren Platz bei der Energieerzeugung. Während Greenpeace draußen protestierte, freute sich Platzeck drin, dass die Gewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie im Saal saß, während die Umweltaktivisten nur auf dem Dach seien. (Gewerkschaftschef Ulrich Freese ist Kohlelobbyist und Parteitagsdelegierter.)

Lautstärker, nämlich mit Sirene, und auch zahlreicher vertreten war in Luckenwalde die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Rund 60 Mitglieder demonstrierten gegen die Erhöhung des Pensionsalters auf 67 Jahre. Die Beamten versicherten, sie wollen gegenüber den Angestellten, die künftig bis 67 arbeiten müssen, nicht bevorzugt werden. Die GdP sammelte Unterschriften dafür, dass das Rentenalter generell wieder auf 65 Jahre gesenkt wird. Es habe aber seinen Grund, dass Polizisten bislang früher in den Ruhestand treten dürfen, sagte Jürgen Kunze, Vizevorsitzender der GdP-Kreisgruppe Süd. Ein 67-Jähriger könne nun einmal keine 18-jährigen Kriminellen fangen. Kunze zeigte auf einen Kollegen in Uniform, der mit Rollator umherlief.

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