Wohin soll denn die Reise gehn?

Ansteigende Tendenz: Drogensucht und Beschaffungsprostitution

  • Jörn Friedrich Schinkel, Leipzig
  • Lesedauer: 2 Min.
Prostitution und Drogenkriminalität gehen gewöhnlich Hand in Hand. In Leipzig bemühen sich Behörden und Institutionen, beides aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen.
Die Bahnhofsmission im Leipziger Hauptbahnhof wird täglich von sieben bis zehn Drogenabhängigen aufgesucht. Frauen und Männer dürfen sich waschen, etwas trinken und essen und bei schlechtem Wetter Unterschlupf suchen. Allerdings sind die Bahnhofsmissionen in Deutschland ihrer Mission womöglich bald beraubt. Die Deutsche Bahn mag ihren Reisenden einen Blick auf reales Elend nicht länger zumuten. Bedeutet der Verweis der Missionen aus den deutschen Bahnhöfen zugleich das Ende der Mildtätigkeit? Müssen sich bald in den neuen »Flanier-Meilen« die Elenden vom Bürgersteig verweisen lassen? Im Jahr 2000 wurden insgesamt 1496 stationäre Behandlungen (Entgiftungen) für Drogenabhängige gezählt, darunter 300 für unter 18-Jährige. Nach Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon beschaffen sich europaweit 60 Prozent der weiblichen Drogenkonsumenten das nötige Geld durch Prostitution - auch unter dem Risiko einer weiteren Ausbreitung von Hepatitis C und Aids. In Leipzig wurden im Jahr 2000 verstärkt Schwangerschaften drogenabhängiger Frauen betreut. Straßensozialarbeiter des Jugendamtes stellen fest, dass immer öfter drogenabhängige junge Leute einen Tagestreff im Stadtzentrum aufsuchen, der eigentlich für Obdachlose und andere Hilfsbedürftige gedacht ist. Der Suchthilfe-Beratungsverein »Blaues Kreuz« hat eine zusätzliche Drogenberaterin eingestellt, die sich vor allem auf dem Strich in der Leipziger Nordstraße um sich prostituierende, drogenabhängige Kinder und junge Frauen kümmert. So manche Zeitung bezieht ihre Einkünfte auch aus sexuellen Lockrufen. »Sauber und gepflegt wird unseren Gästen ein angenehmes Ambiente geboten.« Für eine halbe Stunde z.B. mit Susi werden 70 Euro fällig - »austoben und kuscheln« inbegriffen. Doch anders als bei der »Wohnungsprostitution«, bietet sich das Gewerbe üblicherweise den Blicken der Öffentlichkeit. Doch wie entsorgt man Probleme dieser Art? Die Polizei hat auf der Nordstraße eine Videoüberwachung installiert. In einem jüngst anberaumten Prozess im Leipziger Amtsgericht war eine junge Frau vorgeladen worden, die auf der Nordstraße anschaffte - um ihren Drogenkonsum finanzieren zu können. Da die Frau am frühen Abend auf der Nordstraße beobachtet wurde, in der Nähe des Leipziger Zoos und einer Schule nebst Kita, wurde überlegt, ob man die Frau nicht wegen »jugendgefährdender Prostitution und Beschaffungskriminalität« belangen könne. Das könnte jedoch schwierig werden, weil »jugendgefährdende Prostitution« nur bis 19.30 Uhr strafbar ist. Mit anderen Problemen müssen übrigens die Freier in Leipzig rechnen: Sie laufen Gefahr, vom Ordnungsamt anhand ihres Autokennzeichens registriert zu werden und einen Strafbefehl zu erhalten. Und auch die Ehefrau wird, wenn vorhanden, in Kenntnis gesetzt.
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