Kleben ist das Zauberwort

Kurt Enz - der »Projektorenpapst der DDR«

  • Beatrix Altmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit 71 Jahren gehört der Berliner Kurt Enz zu den dienstältesten Königen der Projektoren. Er kennt alle Tricks und technischen Details. Nur auf eines kann er heute verzichten: einen Kinobesuch. Die Szene auf Zelluloid bannen - wie oft wird selbst von Fachleuten diese Aussage getroffen. Filmvorführer allerdings haben dieses Material schon Jahrzehnte nicht mehr in die Hand bekommen. Zelluloid, dieses leicht entzündliche Material wird im Kinobereich seit ca. Mitte der fünfziger Jahre nicht mehr verwendet. Aus Sicherheitsgründen löste damals nach und nach der nicht brennbare Triacetat-Film den Zelluloid-Film als Trägermaterial für fotografische Schichten ab. Ab Mitte der Achtziger wurde Triacetat durch Polyester ersetzt. Kurt Enz hat noch mit echten Zelluloid-Filmrollen gearbeitet. Der 71-Jährige machte mit 18 Jahren die Filmvorführerprüfung: »Damals bestand gerade auf dem Lande ein großer Bedarf an Filmvorführern. Meine ersten Filme flimmerten in den Dorfkneipen über die Leinwand«. Trotz der großen Nachfrage wurden an die Filmvorführer hohe Anforderungen gestellt. Bevorzugt wurden gelernte Elektriker, Feinmechaniker oder Optiker, die auch die Technik beherrschten: »Wir hatten nur eine begrenzte Anzahl von Filmkopien, da war natürlich doppelte Sorgfalt gefragt«, sagt Kurt Enz und blättert in einem seiner alten Lehrbücher. Heute hole man die Leute von der Straße, technisches Fachwissen sei weitgehend überflüssig geworden, so Enz weiter: »Einer der Prüfungsschwerpunkte bestand darin, einen gerissenen Film so professionell zu kleben, dass die Wiedergabequalität nicht beeinträchtigt wurde.« Kurt Enz begann direkt nach dem Abi-tur 1952 als Vorführer beim Progress Filmverleih in Schwerin zu arbeiten. Dann erhielt er eine Stelle als technischer Hilfsinspektor, einige Jahre später stieg er zum technischen Inspektor auf. Seine Aufgabe war es nun unter anderen, die Qualität der Projektoren zu überprüfen. Denn die wenigen Filme und die technischen Geräte mussten wegen der hohen Kosten gehegt und gepflegt werden. Eine komplette Filmanlage kostete damals um die 100000 Mark. An einen schwedischen Film erinnert sich Kurt Enz besonders gern: »Sie tanzte nur einen Sommer«. Der Filmliebhaber lacht: »In diesem Jahr wurden alle Kinder nach der Hauptdarstellerin benannt«. Enz, der zwischendurch ein Studium für Schiffsmaschinenbau in Warnemünde absolvierte, um überhaupt einen Ingenieurabschluss zu haben, arbeitete später als Dozent an der Ingenieurschule für Filmtechnik in Babelsberg. Er schrieb zwei Fachbücher, nahm an internationalen Kongressen teil und wurde bald als Sachverständiger in allen Teilen des Landes hinzugezogen. Der »Projektorenpapst der DDR«, wie Enz auch genannt wurde, erinnert sich an eine Anekdote: In den siebziger Jahren wurde der Film »Das russische Wunder«, ein Film über die Geschichte der Sowjetunion, vor prominentem Publikum aufgeführt. Unter den Zuschauern saß auch Walter Ulbricht. Nachdem der Film an die 20 Mal gerissen war, telefonierten die Verantwortlichen voller Panik nach dem Profi: »Es wurde gerätselt, ob es sich um einen technischen Fehler oder Sabotage handeln könnte«, so Enz, der die Premiere dann relativ schnell mit einigen geschickten Handgriffen retten konnte. 1985 bis 1990 war Kurt Enz wissenschaftlicher Leiter der Entwicklungsabteilung des VEB Filmtheater Technik. Nur kurze Zeit später zog er sich aus dem aktiven Berufsleben zurück. Doch nur zu Hause zu sitzen, fällt dem Filmprofi nicht ein. Oft genug wird auch heute noch sein Sachverstand verlangt, hält er immer noch Seminare ab. Allerdings ins Kino - geht der »König der Projektoren« selten: »Den letzten Film, den ich sah, war ein James Bond. Welchen, das habe ich vergessen. Mich stört heute die Werbung und die ganze Hektik drum herum.«
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