USA drohen mit Atomwaffen

60-Tage-Bericht der UNO-Inspekteure vor dem Sicherheitsrat/EU für weitere Kontrollen in Irak

  • Lesedauer: 3 Min.
Die UN-Chefinspekteure Hans Blix und Mohammed el Baradei haben dem Weltsicherheitsrat am Montag den ersten 60-Tage-Bericht über ihre Waffenkontrollen in Irak vorgelegt. Dabei forderten sie die Regierung in Bagdad auf, den Verbleib größerer Mengen des Nervengases VX aufzuklären. Die Staaten der Europäischen Union setzten sich für eine Weiterführung der UNO-Waffeninspektionen ein. Die US-Administration schloss unterdessen auch einen Einsatz von Atomwaffen nicht aus.
New York/Brüssel/Paris (ND/Agenturen). Die Inspekteure hätten Erkenntnisse, dass Irak im Gegensatz zu seinen bisherigen Angaben an der qualitativen Weiterentwicklung von VX gearbeitet habe, erklärte der Chef der Inspektionskommission UNMOVIC, Hans Blix, am Montag vor dem UNO-Sicherheitsrat. Es bestehe auch der Verdacht, dass noch größere Mengen dieses extrem gefährlichen Nervengases vorhanden seien. Vor Beginn der Sitzung plädierte UNO-Generalsekretär Kofi Annan dafür, den Inspekteuren ausreichend Zeit für ihre Arbeit zu geben. Der UNO-Botschafter der USA, John Negroponte, sagte, Irak habe die Auflagen der Resolution nicht erfüllt. Auch zu einer Reihe weiterer offener Fragen nach versteckten Massenvernichtungswaffen, darunter größere Mengen des Milzbranderregers Anthrax, sei Irak überzeugende Antworten schuldig geblieben. Weitere Waffenkontrollen müssten diese Zweifel klären, so der Bericht. Blix bescheinigte Irak zugleich, dass das Land die im November wieder aufgenommenen Inspektionen ohne nennenswerte Probleme zugelassen habe. Die Inspekteure hätten zu allen Einrichtungen, darunter auch Präsidentenpaläste und Privatwohnungen, Zugang erhalten. Die rein organisatorische Kooperation des Irak sei »effektiv und korrekt« gewesen. In der Sache aber müsse Irak erheblich aktiver mit der UNO kooperieren. Die USA haben Irak im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung vor dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gewarnt. In einem solchen Fall würden die USA »alle notwendigen Mittel« einsetzen, um sich selbst zu schützen, sagte der Stabschef im US-Präsidialamt, Andrew Card, dem Fernsehsender NBC. Auf die Nachfrage, ob dies auch eine Option auf den Einsatz von Atomwaffen bedeute, sagte Card, er wolle weder etwas auf den Tisch bringen, noch herunter nehmen. In einer gemeinsamen Erklärung sicherten die EU-Außenminister den Kontrolleuren am Montag in Brüssel ihre volle Unterstützung zu. Sie begrüßten »deren Absicht, ihre Arbeit fortzusetzen und zu intensivieren«. Die gemeinsame Erklärung der 15 EU-Außenminister kam nach einer Initiative jener vier EU-Staaten zu Stande, die zur Zeit dem UNO-Sicherheitsrat angehören: Frankreich und Großbritannien als ständige sowie Deutschland und Spanien als zeitweilige Mitglieder. Den Formulierungsvorschlag hatte die griechische Regierung als derzeitige EU-Präsidentschaft ausgearbeitet. Nach den Worten von Bundesaußenminister Joseph Fischer bedeutet er, dass die UNO-Inspekteure »die notwendige Zeit bekommen, die sie brauchen«. Noch vor der Sitzung hatte vor allem der britische Außenminister Jack Straw, dessen Regierung die US-Position im Irak-Konflikt weitgehend teilt, andere Töne angeschlagen. Straw warnte Irak, dass die Geduld nachlasse und die Zeit ablaufe. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) wird vom UNO-Sicherheitsrat mehr Zeit für die Waffeninspektionen im Irak verlangen. »Es braucht noch ein paar Monate, um zu einer abschließenden Einschätzung zu gelangen«, sagte IAEO-Sprecherin Melissa Fleming am Montag in Wien. US-Außenminister Colin Powell sieht indessen »die schlimmsten Befürchtungen« Washingtons wegen des irakischen Strebens nach Massenvernichtungswaffen durch Geheimdienstberichte bestätigt. Die Informationen zeigten, dass die Annahmen der USA begründet seien, sagte Powell der französischen Zeitung »Le Monde« und sieben anderen europäischen Zeitungen. US-Präsident George W. Bush wird den Irak-Konflikt nach Powells Worten in dieser Woche mit mehreren Staatschefs erörtern. Danach werde Washington entscheiden. Powell bekräftigte, dass eine zweite UNO-Resolution zu Irak für die USA keine Vorbedingung sein könne, um gegen Bagdad vorzugehen. Bagdad hat kurz vor der Vorlage des Inspektionsberichts erneut seine »vollständige Zusammenarbeit« mit den Kontrolleuren betont. »Sie haben in den vergangenen zwei Monaten 460 Anlagen in Irak besucht, darunter Bibliotheken, Gästehäuser des Präsidenten, Moscheen und militärische Einrichtungen, all dies wäre ohne unsere umfassende Zusammenarbeit nicht möglich gewesen«, sagte Außenminister Nadschi Sabri in Bagdad. »Das war eine Superzusammenarbeit.«
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