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  • Wirtschaft und Umwelt
  • Dr. DIETMAR KETZEL, Präsident des Zentralen Verbandes der Güter, landwirtschaftlicher und gärtnerischer Unternehmen e.V.:

Güter gehen leer aus

  • Lesedauer: 3 Min.

Die 458 Staatsgüter der DDR bewirtschafteten einst knapp eine halbe Million Hektar. Vielfach brachten sie jährlich Millionengewinne. Zum Jahresende mußten sie ihr Geld restlos an die Staatskassen überweisen und das Folgejahr mit Krediten für die laufende Produktion beginnen. Wie ist es um die Zukunft der Güter bestellt?

Vor ihnen steht die Privatisierung. Zum einen handelt es sich um die früheren Landesdomänen, die der öffentlichen Hand gehört haben. Diese werden von der Treuhand den einzelnen Ländern angeboten, die mit unterschiedlichem Interesse reagieren. Mecklenburg-Vorpommern will seine Güter im wesentlichen alle verkaufen an private Bewerber, die meinen, daß in der Landwirtschaft die Zukunft liegt. Sachsen-Anhalt hat seinen Anspruch geltend gemacht, um die Güter zu verpachten. Der übrige Teil der Volkseigenen Güter ist aus einstigen Privatgütern, die 1945 enteignet wurden, hervorgegangen. Deren Land gilt derzeit als Sondervermögen der Treuhand. Nach dem Karlsruher Urteil zur Anerkennung der Bodenreform ist damit zu rechnen, daß die ehemaligen Besitzer nun versuchen, das Land wieder zu erwerben oder zu pachten. Auf alle Fälle hätten die meisten der landwirtschaftlichen Güter im Osten Deutschlands als Großbetriebe eine Zukunft. Welche Konsequenzen hat die komplizierte Situation für die Belegschaften?

In DDR-Zeiten waren weitaus mehr Arbeitskräfte in den landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt als in vergleichbaren der BRD. Alle Maßnahmen müssen sozial verträglich durchgeführt werden, Härtefälle sind jedoch nicht ausgeschlossen. Der neue Pächter wird nur den landwirtschaftlichen Teil übernehmen. Den „Ballast“ - die Werkswohnungen, Kindergärten, sozialen Einrichtungen - stößt er ab. Es kommt also zu einem drastischen Personalabbau. Auch 60 t bis 70 Prozent der Arbeitskräfte in der primären landwirtschaftlichen Produktion können nicht

mehr beschäftigt werden. Ein Großteil der künftigen Pächter ist nur an der Landpacht interessiert, nicht an den Ställen und dem Ausbau der Tierproduktion. Sie sind auch Geschäftsführer der bördeagrar GmbH Schwaneberg. Wie sieht es in Ihrem Betrieb aus? Unser Gut hat bis 1989 auf über 4 000 Hektar Bördeboden Saatzucht und -Vermehrung betrieben. In diesem Jahr werden noch 2 200 Hektar bewirtschaftet. Für einen Teil davon wurden Pachtverträge mit 176 Eigentümern abgeschlossen. Zu unserem Unternehmen gehören zudem Schweinemast und Schafherden. Von den einst 568 Beschäftigten des Gutes blieben nur 230. Wir konnten im Territorium eine Reihe neuer Arbeitsplätze durch die Neuansiedlung von Gewerbe schaffen. Zum Beispiel wurde die Ratio-Werkstatt des Gutes in eine Bauschlqsserei umgewandelt. Um den Übergang möglichst sozial zu gestalten, sind wir gemeinsam mit den Gemeinden Altenweddingen, Bahrendorf und Schwaneberg dabei, eine Gesellschaft für Kommunalentwicklung und Umweltsanierung zu bilden. Nur 'wenige der Güter, wie das in Schwaneberg, sind schuldenfrei. Hinzu kommt, daß diese von jeglichen Agrar-Fördermitteln ausgeschlossen bleiben. ..

Wir wollen für alle Betriebe eine gewisse Chancengleichheit, Beihilfen für alle. Wenn es heißt, daß ein Großbetrieb nicht gefördert zu werden braucht, bedeutet das, er ist den Kleinbetrieben überlegen. Auch in den Alt-Bundesländem gibt es grö-ßere Unternehmen, die ohne Fördermittel leben. Doch in der gegenwärtigen Situation, in der bei uns noch viel rationalisiert und modernisiert werden muß, sind wir natürlich auf jede Mark angewiesen. Wir haben bereits im letzten Jahr vorgeschlagen, daß wenigstens für 1990 und besser sogar bis 1991 die Beihilfen ebenso gezahlt werden, wie das anderswo auch der Fall ist. Dann brauchten wesentlich weniger Liquiditätskredite durch die Treuhand ausgereicht zu werden. Doch unsere Vorschläge wurden im- . mer wieder abgewiesen.

Es fragte BIRGITT PÖTZSCH

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