Über Jugendsünden spricht man nicht...

Linkes Internetportal nadir.org wegen fünf Jahre altem Antifa-Beitrag vor Gericht

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 2 Min.
Das linke Internetportal nadir.org muss um seinen Fortbestand fürchten. Eine Klage könnte das Aus für das Projekt bedeuten und den Umgang mit kritischen Informationen im Netz beschränken.
Mitunter liegen Ursache und Wirkung um einiges auseinander: Als im Wintersemester 1997/1998 eine Antifa-Gruppe Namens »werfende Verbindung Anarcho Randalia« in ihrer Zeitschrift einen Beitrag über »Sangesfreudige Burschen in Osnabrück« veröffentlichte, dürfte noch niemand geahnt haben, dass nämlicher Beitrag fünf Jahre später zum juristischen Streitfall werden würde. Doch in dem Artikel, der sich in weiten Teilen auf das »Osnabrücker Stadtblatt« stützt, wird ein Jost Berstermann erwähnt. Der habe, so war es seither auch im Archiv des linken Internetportals »nadir.org« zu lesen, in Jugendjahren den NPD-nahen »Unabhängigen Schülerbund« gegründet und sei später bei NPD bzw. Republikanern aktiv gewesen. Berstermann, inzwischen Chef der Personalabteilung des Frankfurter Chemie- und Anlagenbaukonzerns MG Technologies AG, will davon nichts mehr wissen und fühlt sich durch den Artikel bzw. Nadirs Weiterveröffentlichung desselben in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Sein Anwalt strengte eine Unterlassungsklage an - Streitwert 20000 Euro. Für Nadir, seit Mitte der 90er Jahre »virtueller Infoladen« nicht nur für die radikale Linke, könnten sich nicht nur finanzielle Konsequenzen des Rechtsstreits als verhängnisvoll erweisen. Nach Ansicht der Hamburger Initiative steht auch der Umgang mit kritischen Informationen generell zur Diskussion. Nicht zuletzt, da Berstermanns Rechtsbeistand aus dem Hause des Prominenten-Anwalt Matthias Prinz die Richtigkeit der inkriminierten Angaben nicht einmal zur Messlatte des Verfahrens erhebt - wohl, weil unter anderem eine NPD-eigene Dokumentation Berstermann an der Spitze einer JN-Demo zeigt. »Unabhängig von ihrer Richtigkeit oder Unrichtigkeit«, so sein Anwalt, seien die Behauptungen über den Mandanten nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Der zuständige Richter des Landgerichtes Hamburg signalisierte nach den Worten eines Prozessbeobachters bereits Entgegenkommen: Bei Berstermanns einstigen Aktivitäten handele es sich möglicherweise um »Jugendsünden«. Kritische Veröffentlichungen über die Vergangenheit von Personen ließen sich mit einem solchen Argument gleich ganz untersagen.
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