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  • Kultur
  • Dresdner Semperoper gedenkt des 200. Geburtstages von Gioacchino Rossini

Musikalisches Vergnügen mit einem blitzsauberen „Aschenbrödel

  • HANSJURGEN SCHAEFER
  • Lesedauer: 3 Min.

Als erste Premiere im 325. Jahr ihres Bestehens machte sich Dresdens Oper mit der Wahl des Werkes, der „Cenerentola“ Gioacchino Rossinis, dessen 200.Geburtstag in diesem Jahre ansteht, alle Ehre. Das Melodramma giocoso des 25jährigen Maestro Rossini kam schon 1822, fünf Jahre nach der römischen Uraufführung, erstmals nach Dresden. Für die letzten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts hat die Wiederentdeckung dieses Werkes durch Claudio .Abbado zum Maggio Musicale in Florenz 1972 eine kleine Renaissance eingeleitet. Auch Versuche moderner Regie-Interpretation (zum Beispiel durch Ruth Berghaus an der Berliner Lindenoper) blieben nicht aus.

In der Semperoper setzte man zum einen auf den ebenso virtuosbeschwingten wie lyrisch ergiebigen Charme der (italienisch gesungenen) Rossini-Partitur. Andererseits auf eine auf Deutlichkeit bedachte Regie, die mit komödiantisch-farbigen und virtuosen Bühnenbildeffekten nicht geizt.

Rossini und sein Librettist Jacopo Ferretti haben ihre Arbeit an der Fabel aus altem europäischem Märchenstoff unter das Motto „La bontä in trionfo“ - Triumph der Herzensgüte - gestellt. Der virtuosquirlige Buffoton mit brillanten Vokalensembles und selbst für diesen Komponisten außergewöhnlich großem Koloraturenaufwand wird

durch lyrische Züge und reiche Orchestrierung immer wieder auf die Ebene märchenhaft schöner, bedeutungsvoller Charakterisierung gehoben. Das macht den Wert des „Aschenputtel“ aus. Die Sächsische Staatskapelle wußte mit der ihr eigenen lyrischen Frische und Leuchtkraft zu musizieren. Der junge Anthony Bramall führte das Orchester sorgsam, wenn er es auch nicht immer in wünschenswertem Maße inspirieren konnte.

Die Titelpartie ist mit Kathleen Kuhlmann besetzt. Eine Belcanto-Altistin von hohen Graden, deren vollklingendes, glänzend geschultes Organ langatmige Passagenvirtuosität ebenso locker und leicht zu

realisieren wußte wie Schmelz und Anmut der Kantilenen.

Inszenierung (Steffen Piontek), Bühnenbild und Kostüme (Martin Rupprecht) verhalfen dem heiteren Spiel zu einfallsreicher und wirkungsvoller Theaterpräsenz: Das ärmliche Schloß, im geborstenen Schutz verfallenden Mauerwerks sich förmlich einnistend, ist die Welt des heruntergekommenen Don Magnifico und der drei jungen Damen, deren eine die als Cenerentola - Aschenbrödel - beschimpfte Stieftochter Angelina ist. Dazu die wie aus himmlischer Ferne heranfahrende prachtglänzende Konstruktion des Palastes von Don Ramiro. Himmel und Hölle einer irdischen Märchenwelt in szenischer

Bewegung. Die „Tempesta“ (Gewitterszene) des zweiten Aktes wird zu einem magisch beschworenen Gewitterzauber allererster Güte, die Technik des Hauses voll beschäftigend.

Die Solisten und die Herren des Chores der Semperoper singen mit komödiantischem Vergnügen. Don Magnificos Töchter (Christiane Hohlfeld, Thea Iliewa) sind im virtuosen Rossini-Gesangsstil ebenso wie im Spitzentanz zuhause. Der Don selbst füllt seine vokale Partie mit baritonalem Wohllaut. Als Bassist von hohen Belcanto-Graden präsentierte sich Eike Wilm Schulte, Philosoph, Prinzenerzieher und zaubernder Magier. Mit

schönem, locker sitzendem Bariton agierte Martin Gantner als Dandini, Kammerdiener, in der Rolle seines Herren. Der, Don Ramiro, Prinz von Salerno, erwies sich zwar als überlegener Gesangstechniker mit „geläufiger Gurgel“, aber sein enges, zu oft angestrengt wirkendes Tenor-Organ blieb den hochvirtuosen und wichtigen Aufgaben der Partie einiges schuldig.

Am Ende triumphierte Rossini, triumphierte seine witzige und lebensvolle Musik, triumphierte die nicht minder lebendige Bühne. „La Cenerentola“ hat die Herzen der Premierenbesucher im Sturm erobert.

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