Sexuelle Beratung für Menschen mit Behinderung

  • Elfi Schramm
  • Lesedauer: 3 Min.
Sexualität ist eine grundlegende Lebenskraft und ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung jedes Menschen, auch desjenigen mit einer Behinderung. Es ist für jeden Menschen ein wichtiger Teil seines Lebens, Liebe zu empfangen und geben, Zuneigung, Zärtlichkeit, Intimität und Erotik zu erfahren. Allerdings ist das Recht von Menschen mit Behinderungen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und Selbstbestimmung nach wie vor nur eingeschränkt sichergestellt. Der Berliner Verein »Balance - Zentrum für Familienplanung und Sexualität« möchte für diese Bedürfnisse Rahmenbedingungen schaffen. In einem Projekt, das vor zwei Jahren begonnen hat, berät er Menschen mit Behinderungen, gibt Rat und Unterstützung bei der Entdeckung ihres Körpers, ihrer Bedürfnisse, bei der Gestaltung von Beziehungen und der Umsetzung ihres Kinderwunsches. Gleichzeitig können auch Eltern und Betreuer beraten werden. Seit Januar 2000 fanden ca. 500 Einzel- und Paarberatungen statt, etwa 140 Gruppenveranstaltungen mit 850 Teilnehmern sowie ca. 50 Veranstaltungen mit BetreuerInnen und Eltern. Die Nachfrage ist groß. Menschen mit Behinderungen benötigen ein spezifisches Angebot zur Beratung und Begleitung zu Fragen von Partnerschaft, Sexualität und Familienplanung. Deshalb befinden sich im gleichen Haus auch eine Schwangerschaftsberatungsstelle und das Familienplanungszentrum. »Balance« möchte das Thema »Sexualität und Behinderung« aus seiner Tabuisierung herausholen. Noch vor ungefähr 30 Jahren behaupteten die meisten Fachleute, sexuelle Bedürfnisse dürften sich bei Menschen mit geistiger Behinderung nie entfalten. Man fürchtete, sie könnten wegen ihrer Intelligenzmängel die Sexualität nicht beherrschen, würden eventuell zu Triebtätern. Heute denkt kaum noch jemand so. Oft wird behauptet, Menschen mit geistiger Behinderung wünschten nur körperliche Nähe und Zärtlichkeit, nicht genitalen Sex. Dass dies manchmal zutrifft, bestätigen Experten. Im Allgemeinen gilt aber: Menschen mit geistiger Behinderung sind auch in ihrer Sexualität so einmalig geprägt wie alle anderen Menschen. Sie ist für sie ebenso bedeutungsvoll wie für jeden anderen Menschen. Wenn ihr Bedürfnis nach Geborgenheit, Zärtlichkeit und sexueller Lust unerfüllt bleibt und ihr Sexualleben stark eingeschränkt ist, leider sie darunter. In der Bundesrepublik betrifft das 8 Millionen Menschen. Das »Balance«-Team will in sehr persönlichen Gesprächen Anregungen geben, wie trotz und mit der Behinderung ein befriedigendes Sexualleben zu gestalten ist. Die MitarbeiterInnen stehen unter Schweigepflicht und beraten auf Wunsch auch anonym. Sie haben eine umfangreiche Bibliothek für ihre Beratungsarbeit erstellt. Zahlreiche Modelle, sexuelle Hilfsmittel, Verhütungsmittel zum Anfassen und Schaubilder erleichtern die Beratung und Aufklärung. Die jüngsten Teilnehmer sind Kinder ab 8 Jahren, die gemeinsam mit ihren Lehrern aus Sondereinrichtungen zu Veranstaltungen kommen. Erwachsene kommen, um über ihre unerfüllten Sehnsüchte zu sprechen, den eigenen Körper kennen zu lernen oder um über das Pro und Kontra eines Kinderwunsches zu diskutieren. Balance, Mauritius-Center E3 Mauritiuskirchstraße3, 10365 Berlin Tel. (030)5536792, Fax: (030)5536793
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