Die Kurve
Von HEINZ SCHUMACHER Berti Vogts erwies sich als schlechter Prophet. Er hatte etwas vollmundig angekündigt, wie angriffslustig seine Elf gegen die Russen wirken würde, und dann gab es mit mehr Ach als Krach gerade noch das 1:1. Doch Berti wäre nicht Berti, hätte er nicht gleich - frei nach der Haltet-den-Dieb-Methode elegant die Kurve gekriegt: Natürlich hätten die Medien die Russen total unterschätzt! Das ist fast so, als prügele man nach einem Erdbeben auf die Seismographen ein.
Doch in einem gewichtigen Punkt muß man Vogts bestätigen, auf das richtige Pferd gesetzt zu haben: Immer wieder hatte er betont, es sei ein Genuß, dem quirligen Thomas Häßler im Training zuzuschauen. Der kleine Ex-Berliner hielt, was
der Bundestrainer sich von ihm für uns versprochen hatte. Und via ZD Fr Sportstudio klärte der Neu-Römer uns alle dann auch noch auf, worüber er mit Schiedsrichter Gerard Biguet unmittelbar vor dem Tor in der 90. Minute so fröhlich geplaudert hatte: „Ich fragte ihn, ob das nun ein direkter oder ein indirekter Freistoß sei.“ Fragen stellen ist oft ein Zeichen für erwachenden Intellekt.
Berti Vogts erwartet jetzt eine „Trotzreaktion“ im Spiel gegen die Schotten. Unausgesprochen mag da der geheime Befehl an einige Star-Kicker mit angeklungen sein: Daß sich ja keiner mehr herausnimmt, wie ein arthritischer Greis über den Rasen zu knirschen! Möge sich für Berti Vogts und seine Truppe bewahrheiten, was Professor Fritz Stemme einmal so formulierte: „Das Ego verlangt, mehr noch: es dürstet nach Wiedergutmachung. “ Dann dürstet mal schön!
Zum Aktionspaket
Linken, unabhängigen Journalismus stärken!
Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.
Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.