Machen Pillen jung und gesund?

  • Hanne Walter
  • Lesedauer: 3 Min.
Unser gestiegenes Gesundheitsbewusstsein macht anfällig für angeblich wissenschaftlich nachgewiesene Wirkungen, obwohl oft genug ein wirklicher Bedarf überhaupt nicht bekannt ist. Und so gehen wir entschieden häufiger der Werbung auf den Leim, als uns lieb ist und kaufen folgsam einen ganz bestimmten gesund erhaltenden Joghurt, ein entfettendes oder verjüngendes Pülverchen oder ein von Vertrauen einflößenden Weißkitteln empfohlenes Vitamin- und Mineralienpräparat. S i e kaufen grundsätzlich nur das, was Sie unbedingt brauchen? Womöglich stellen Sie nach der Lektüre von »Vorsicht gesund! Orientierung im Gesundheitsdschungel« plötzlich fest, dass auch Sie auf Reklame hereingefallen sind. »Sich ein richtiges Bild zu machen fällt schwer, und fehlende sachliche Informationen verhindern rationale Entscheidungen«, wissen die Autorinnen Simone von Laffert und Monika Schiffer und nehmen die wesentlichsten Trends, Wirkstoffe und Nahrungsergänzungen unter die Lupe. »Nicht die Ware wird verkauft, sondern das Lebensgefühl, das man sich damit einverleibt.« Gesundheit, Gesundheitsprodukte und die sie verkörpernden schönen gesunden Menschen werden idealisiert und dem angestrebten Lebensgefühl zuliebe werden Produkte gekauft, die selbiges verheißen. Fast schmerzhaft führt das Buch vor Augen, wie die Gesundheit immer mehr zur Ware degradiert wird. Dass lieber für sie bezahlt wird, statt sie aktiv zu pflegen. Dass man die eigene Gesundheit auf den Konsum zahlreicher Vitamine und Hormone beschränkt und einen eher kreuzbraven Kurort prompt ansteuern möchte, bloß weil er dank einer Werbekampagne zur Wellness-Oase avancierte. Quasi jeder Beschwerde ein probates Mittelchen entgegenhalten zu können basiert, wie die Autorinnen zu bedenken geben, »auf einer höchst fragwürdigen Hypothese: dass nämlich der Körper eine Art technischer Mechanismus ist, der sich ähnlich wie ein Auto oder eine Waschmaschine mit entsprechendem Know-how reparieren und kontrollieren lässt « Vitamine, Hormone und andere Wundermittelchen sind schon längst nicht mehr nur Sache von Apotheken. Sie stapeln sich auch in Drogerien und Supermärkten und virtuell im Internet. Im Netz haben vor allem so genannte Lifestyle-Drogen Karriere gemacht, die ursprünglich als Medikament gegen handfeste Krankheiten entwickelt wurden, aber »nebenbei« auch schlank oder flott, glücklich oder potent machen sollen. Der Jahresumsatz der pharmazeutischen Unternehmen ist auch dank solcher Trendmittel derart in die Höhe geschnellt, dass zu Recht die Vernachlässigung ernsthafter Forschung im Interesse von Krankheitsbekämpfung befürchtet werden muss. Die Medizin widmet sich also nicht mehr ihren therapeutischen Aufgaben, sondern macht ihre Geschäfte »mit der Angst vor Versagen, Schwäche und sozialer Diskriminierung« wenn sie Mittel gegen das Altern, Leistungsabfall und Liebesfaulheit verspricht. Und, um die Wunderdrogen auch loszuwerden, das Alter mit Krankheit gleichsetzt. Doch das Buch geißelt solche Auswüchse nicht nur, sondern erklärt auch, warum die Wissenschaft gar nicht in der Lage sein kann, bestimmte Dinge zu leisten, zum Beispiel den Prozess des Alterns aufzuhalten. Bedenklich stimmen sollte die Beobachtung der Autorinnen, dass sich so manches, was zunächst als Sensation gefeiert wurde, nach der ersten Euphorie als riskant erwiesen hat. Trotzdem dominiert die tröstliche Erkenntnis: schädlich ist kaum etwas. Aber leider ist auch das Wenigste hilfreich.
Simone von Laffert/Monika Schiffer: Vorsicht gesund! Orientierung im Gesundheitsdschungel, Piper München, geb., 245 S., 19,90 Euro
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