50 Jahre nach dem 17. Juni 1953

Viele Termine/Initiative richtet Blick auf Gegenwart

Ab Juli werden die Löhne um zehn Prozent erhöht, die Bundesregierung nimmt die beabsichtigten Kürzungen zurück und im Osten kommt die 35-Stunden-Woche. Darauf vertraut die »Initiative Gestern ist Heute« mit einem Augenzwinkern. Optimismus flöße der 50. Jahrestag des 17. Juni 1953 ein. Wenn der Kampf der Arbeiter gegen eine zehnprozentige Normerhöhung 1953 eine so geballte Solidarität der heutigen Regierung, der Parteien, der Unternehmer und der Gewerkschaftsführung erfahre, dann könne es doch nur noch eine Frage von Wochen sein, bis diese bewährte Einheitsfront auch im Kampf gegen den aktuellen Sozialkahlschlag stehe. DGB-Chef Michael Sommer ist heute um 17 Uhr am Rosengarten in der Karl-Marx-Allee 103 dabei, wenn aus Abbruchziegeln eine Steinzeile errichtet wird. Damit sollen die Menschen gewürdigt werden, »die den Mut zum Streik und zum politischen Widerstand gegen die Diktatur hatten«. Die »Initiative Gestern ist Heute« wünscht sich Mut zu Streik und politischem Widerstand auch in unseren Tagen. Man freut sich mit ironischem Unterton, dass die Gewerkschaft endlich wieder gegen Normerhöhung und Sozialkahlschlag protestiert. Entsprechend soll DGB-Chef Sommer am Rosengarten »begrüßt« werden. »Wir wollen nicht stören, sondern kritisch begleiten«, stellt Dagmar Cielinski von der Initiative klar. Treffpunkt 16.45 Uhr hinter dem Rosengarten. In Friedrichshain beteiligt sich das Bezirksamt nicht nur am Bau der Steinzeile. Um 15 Uhr benennt es den Platz vor dem historischen Haupteingang des Krankenhauses Friedrichshain nach Max Fettling. Fettling war Gewerkschaftschef im VEB Industriebau und unterschrieb am 15. Juni 1953 einen Brief an Otto Grotewohl, in dem die Rücknahme der Normerhöhungen gefordert wurde. Ein Gericht verurteilte Fettling zu zehn Jahren Haft. 1957 entließ man ihn vorzeitig aus dem Knast. Für 17 Uhr lädt das Bezirksamt zu einer Feierstunde in die »alte feuerwache«, Marchlewskistraße 6. In Mitte gibt es um 8.30 Uhr einen Ökumenischen Gottesdienst in der St. Marienkirche, Karl-Liebknecht-Straße 8. Das Fimkunsthaus Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, zeigt um 20 Uhr die Dokumentation »Jene Tage im Juni« von 1983. In Tiergarten enthüllt die Bundesbaugesellschaft gemeinsam mit dem Stadtentwicklungssenat um 13.30 Uhr die Mauerkreuze am Westlichen Spreeplatz vor dem Paul-Löbe-Haus. In Charlottenburg spricht Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) um 17 Uhr bei einer Kranzniederlegung am Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus auf dem Steinplatz. In Pankow benennt der Bezirk um 17.30 Uhr die künftige Erschließungsstraße für das ABB-Gelände nach Heinz Brandt, dem Sekretär der SED-Bezirksleitung, der 1953 aller Parteiämter enthoben wurde. Um 18.15 Uhr schließt sich eine Gedenkveranstaltung im Kommunikationszentrum auf dem ABB-Gelände, Lessingstraße 79, an. In Zehlendorf legen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und Bezirksamt um 16 Uhr am Freiheitskreuz auf der Potsdamer Straße einen Kranz zum Gedenken an erschossene sowjetische Soldaten nieder. In Wedding laden BVV-Vorsteherin Hannelore Jahn und Bürgermeister Joachim Zeller (CDU) für 17 Uhr zu einer Kranzniederlegung am »Denkmal für die Opfer des 17. Juni 1953« auf dem Urnenfriedhof Seestraße 92. In Tempelhof bringen Bürgermeister Ekkehard Band (SPD) und BVV-Vorsteher Rainer Kotecki um 15 Uhr einen Kranz zum Denkmal auf der Marienhöhe, Marienhöher Weg 81. In der Helene-Nathan-Bibliothek in Neukölln läuft noch bis zum 27. Juni die Ausstellung »Der 17. Juni 1953 in der Presse«. Karl-Marx-Straße 66, geöffnet Mo. bis Fr. 12-20 Uhr, Sa. 10-13 Uhr. Den Widerspruch linker Studenten und Antifas erregt die Berliner Burschenschaft Gothia. Die Burschenschaft plant, heute um 19 Uhr am Reichstag Kränze abzulegen. Die Antifa wirft der Gothia vor, den »ArbeiterInnenaufstand in der DDR« für ihre »völkisch-nationalistische Ideologie« vereinnahmen zu wollen. Sie ruft deshalb für 15 Uhr zu einer Protestkundgebung am Mahnmal vor dem Reichstag. Bei einer Gedenkveranstaltung am Montagabend im Roten Rathaus sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) laut Redemanuskript: »Es war kein Ruhmesblatt, wie wir mit dem Gedenken des Volksaufstandes umgegangen sind.« Im Osten sei die »Revolution« offiziell totgeschwiegen worden, im Westen habe sie nur wenig Beachtung erfahren. Wowereit erinnerte an 60 bis 80 Demonstranten, die bei dem Aufstand umkamen. Die Junge Union forderte, die sowjetischen Panzer am Ehrenmal im Tiergarten zu entfernen.
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