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  • Politik
  • co op: Einem (west-)deutschen Handelsunternehmen wird der lange Prozeß gemacht / Neuer Name und neue Gewinne

Eine Hand wäscht die andere – bloß nicht in Unschuld

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coop. Klingt nach Kooperation. Etwas exakter: Eine Hand wäscht die andere. Was herauskam, war alles andere als sauber. Sauber ist eigentlich nur, daß es herauskam: Untreue, Betrug, Bilanzfälschung und Kapitalanlage-Betrug beim Einzelhandelsunternehmen co op. Von den betrogenen Gewerkschaftern, deren Mitgliedsgelder (ä la „Neue Heimat“) „gewinnbringend“ angelegt wurden, wird nicht mehr ganz so empört und ausdauernd gesprochen.

Millionengelder waren geflossen: in immer gleiche Taschen. Sieben auf einen Streich (einer floh nach Kanada) hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft daraufhin auf die Anklagebank gesetzt; fast ein totaler Ausräumer auf der Chef etage. 62 Hauptaktenbände mit 16 000 Blatt sowie 100 Beweisaktenbände lassen eine Prozeßzeit von vier Jahren vermuten; gegen 50 weitere Be-

schuldigte wird ermittelt. Wie es sich halt gehört: Der Filz ist flächig und dicht.

coop heißt künftig „Deutsche SB-Kauf AG“. Anruf bei einem Sprecher des von der Saarbrücker Asko Deutsche Kaufhaus AG ausgeliehenen co op-Chef s Walter Dobmayer: Alter Wein in neuen Schläuchen? „Es muß ein Schlußstrich unter die Vergangenheit gezogen werden - durch anständige Arbeit.“ Vor allem wohl durch anständigen Gewinn; 1992/93 wird der bereits auf „annähernd 200 Millionen DM“ prognostiziert. Bemüht wird sich um „Ruhe an der Aktionärsfront“; schon Ende 1991 hatte co op wieder über 731 Märkte, die Berliner Bolle-Kette kam hinzu (mit Partner KONSUM BER-LIN); demnächst werden insgesamt 1000 Märkte regiert. Vom „absoluten Turn-around“ nach dem Skandal redet der co op-Sprecher; das

klingt nach Cleverness, nach neuer Marktstärke, nach Attraktivität für Kapitalanleger. Es klingt aber auch irgendwie nach „Eine Hand wäscht die andere“.

coop:Zum größten (west-)deutschen Wirtschaftskrimi kommt nun also der größte (west-)deutsche

sogenannten kleinen Leute unbedenklichen Profitstreben geopfert wurden - da sind die Angeklagten nur die Spitze eines Eisbergs.“

A propos die Angeklagten. Der prominenteste ist Ex-co op-Aufsichtsrat Lappas. Erst landete der 61jährige im proppenvollen Frankfurter Gefängnis Preungesheim, dann wies man ihn in eine komfortable Zelle in Gießen ein, schließlich wurde er gegen eine Kaution von einer Million Mark freigelassen, da sich laut Anwalt „der Gesundheitszustand von Herrn Lappas aufgrund der nervlichen Belastungen verschlechterte und der Rechtsstaat die Pflicht wie die Möglichkeit hat, altersgerechte, erleichternde Bedingungen zu schaffen, die die Haftbarkeit des Beschuldigten keinesfalls beeinträchtigen.“ (Die Moral: Alle U-Häftlinge werden gleich behandelt - besonders manche!)

Auch Angeklagter Otto kam wie alle anderen ebenfalls - wieder aus der U-Haft. Etwas verwirrt und mit plötzlichem Faible für gro-ße Zusammenhänge, denn er fühle sich „kriminalisiert, so wie auch viele Frauen in der Bundesrepublik kriminalisiert werden.“

Am Mittwoch nun das erste klare Wort: ein Geständnis. Der Leiter des co op-Vorstandssekretariats mit dem beziehungsreichen Namen Gitter packte aus: Die Anklage sei „im wesentlichen zutreffend“, und dem DGB „war immer klar, in welcher Lage sich die co op befindet.“

Seine Aufgabe sei es übrigens gewesen, so Gitter, „dafür zu sorgen, daß Diskretes diskret bleibt.“ Er soll das sehr ruhig gesagt haben. Vielleicht wie ein Mann, der weiß: Leute wie ich werden gebraucht. Immer. Also auch immer wieder.

HANS-DIETER SCHUTT

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