Sorgen vor den Sommermärschen

Konflikt könnte sich weiter zuspitzen

  • Aljoscha Kertesz
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.

Seit acht Monaten steht Nordirland wieder unter britischer Direktverwaltung. Die Zukunft der Unruheprovinz kurz vor Beginn der berüchtigten protestantischen Sommermärsche ist weiter ungewiss.

Ursprünglich waren für den 29. Mai Wahlen angesetzt. Gegen den ausdrücklichen Willen aller Parteien, mit Ausnahme der starken Ulster Unionist Party (UUP), wurden diese jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben. Die britische Regierung befürchtete, dass Sinn Féin sowie die Democratic Unionist Party (DUP) und nicht die gemäßigten UUP und Social Democratic Labour Party (SDLP) eine Mehrheit erzielt hätten. Ein Umstand, der die Regierungsbildung enorm erschwert hätte, da die loyalistische DUP eine Regierungsbeteiligung der IRA-nahen Partei Sinn Féin ablehnt. Die große Mehrheit der nordirischen Bevölkerung ist entsetzt über die Absetzung dieser demokratisch legitimierten Wahl. Auch die Regierung der Republik Irland bekundete ihr Unverständnis über diesen Schritt. Der Wahlgang ist Bestandteil des im »Karfreitagsabkommen« festgehaltenen Friedensprozesses. Anhänger pro-irischer Parteien fühlen sich in die Zeiten zurückversetzt, als sie kein Mitspracherecht in der britischen Provinz hatten. Durch die Verschiebung der Wahl ist der Friedensprozess erneut ins Stocken geraten. In der Bevölkerung kommen Befürchtungen auf, dass enttäuschte Paramilitärs die Region wieder in die Zeit blutiger Auseinandersetzungen zurückwerfen könnten. Warnung war auch der jüngste Fund einer 600 kg schweren Bombe in Derry. Der Sprengsatz wurde in einem Auto, direkt im Zentrum der zweitgrößten nordirischen Stadt, entdeckt und kontrolliert zur Explosion gebracht. Für den geplanten Anschlag wird die so genannte Real IRA (Wahre IRA) verantwortlich gemacht. Erinnerungen an die Explosion in Omagh werden wach. Der 15. August 1998 war einer der blutigsten Tage in der nordirischen Geschichte. Damals starben 29 Menschen, Hunderte wurden verletzt. Politiker aller Parteien verhandeln hinter den Kulissen über die Entschärfung des Konflikts. Die Gespräche finden aber zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt statt. In den kommenden Wochen werden zahlreiche Umzüge der Oranier-Orden das politische Klima belasten. Jedes Jahr gedenken die Traditionalisten der Schlacht »Battle of the Boyne« im Jahre 1690. Damals besiegte der protestantische Wilhelm von Oranien den katholischen König James. Anlässlich dieser Veranstaltung säumen britische, englische und schottische Fahnen ganze Straßenzüge. Die Umzüge sind ein jährlicher Streitpunkt zwischen den Unionisten und ihren katholisc...

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