Großreinemachen bei der WestLB

Landesbankchef Sengera wurde zurückgetreten / Sanierung auf Kosten der Arbeitsplätze absehbar

  • Jochen Bülow, Köln
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.

1,7 Milliarden Euro Verlust im vergangenen Jahr, ein desaströses Gutachten der Finanzaufsicht und Gerüchte über noch geheim gehaltene Verluste - bei der WestLB rollen jetzt Köpfe.

Seit der Chef der Westdeutschen Landesbank, Jürgen Sengera, im Mai die Verluste des Unternehmens auf gigantische 1,7 Milliarden Euro vor Steuern beziffern musste, war mit seiner Ablösung gerechnet worden. Übergelaufen ist das Fass mit einer Sonderprüfung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die neben strukturellen Unzulänglichkeiten in der öffentlich-rechtlichen Bank auch fachliche Inkompetenz beim Vorstandsvorsitzenden festgestellt haben will. Ein Urteil, das dem altgedienten Banker Sengera kaum mehr Spielraum ließ.
Angeblich hat der Banker noch kurz vor dem entscheidenden Treffen am Montag mit den Eigentümern der WestLB gehofft, den Hals aus der Schlinge ziehen zu können: Er brachte den für das Risikomanagement zuständigen Vorstandskollegen Adolf Franke in die Schusslinie. Der aber wollte auch nicht gerade stehen: »Ich bin der so genannte Corporate Chief Risk Officer, das heißt aber nicht, dass ich für alle Risiken verantwortlich bin«, rechtfertigte sich dieser. Das Schwarze-Peter-Spiel machten die Anteilseigner aber nicht mit: Sengera musste seinen Rücktritt erklären, der ihm mit einer Abfindung von angeblich über 3 Millionen Euro versüßt wird. Ebenfalls gehen muss Vorstandskollege Andreas Seifert, der für die Londoner Dependance der WestLB zuständig war, wo die illustre texanische Bankerin Robin Saunders eifrig Verluste einfuhr. Und Risk Officer Adolf Franke wird im April nächsten Jahres nicht mit einer Vertragsverlängerung rechnen können.
Beobachter vermuten, dass das Großreinemachen bei der WestLB damit ein Ende hat. Über die Nachfolge der Geschassten ist derzeit außer Spekulationen nichts bekannt. Aus Branchenkreisen verlautete gestern nur, dass die Personalentscheidungen schnell gefällt werden.
Klar ist, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung, die dank des andauernden rot-grünen Koalitionsknatsches ohnehin nicht gut aussieht, nun ein Problem mehr hat. Gerade Ministerpräsident Peer Steinbrück hatte sich noch als Finanzminister unter Wolfgang Clement für Sengera stark gemacht, das Land ist Haupteigner der Bank. Der Erfolg gab den Sozialdemokraten anfangs Recht: Sengera, seit 1971 mit fünfjähriger Unterbrechung bei der WestLB beschäftigt, reduzierte die Kosten drastisch, wollte bis 2004 gar Einsparungen von rund einer halben Milliarde Euro realisieren. Wie häufig bei solchen Operationen bedeutete das auch Stellenabbau, dem bis 2005 jeder zehnte Arbeitsplatz zum Opfer fallen soll. Erfolgreich war Sengera auch bei dem Versuch, die politische Abhängigkeit der Bank zu verringern. Sein Amtsvorgänger Friedel Neuber war immer wieder in den Ruch politischen Filzes und zu geringen Abstandes zu den Sozialdemokraten geraten. Sengera scheiterte dagegen an dem Versuch, vor dem Hintergrund der ab 2005 entfallenden Staatsbürgschaft die WestLB strategisch so auszurichten, dass sie auf den globalisierten Finanzmärkten bestehen kann. Genau diese Engagements in hochriskanten Geschäften führten nun zu den gigantischen Verlusten.
Nicht nur die Sparkassen verlangen jetzt, dass sich die Landesbank wieder auf die heimischen Märkte besinnen möge. Auch Karlheinz Nagels vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe äußerte sich in diese Richtung: »Es ist ein Skandal, wenn nun das Rating der WestLB auf dem Rücken von Behinderten und Alten verbessert werden soll.« Das könnte tatsächlich passieren, wenn die Eigentümer Kapital nachschießen und deshalb bei den eigenen Ausgaben kürzen müssten. Das wäre umso schmerzhafter, als die Bank 2002 wegen der Verluste keine Dividende ausgezahlt hat.
Schon um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen, werden die staatlichen Eigentümer auf mehr Bodenständigkeit dringen. Wenn das Gesundschrumpfen heißen sollte, werden die Beschäftigten einmal mehr für die Fehler ihrer Vorstände bezahlen müssen.

Miese Zahlen

Die WestLB AG ist das fünftgrößte Bankhaus der Republik und eine hundertprozentige Tochter der Landesbank Nordrhein-Westfalen. Deren Eigentümer sind das Land NRW (43,2%), die Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen (je 16,7%) und die beiden kommunalen Landschaftsverbände (je 11,7%).
Im Jahr 2002 erwirtschaftete die Bank einen Verlust vor Steuern von rund 1,7 Milliarden Euro. Teuer kam die Wertberichtigung eines faulen Kredites an ein Leasingunternehmen. Zudem platzten Kredite an einen Londoner Metallkonzern. Und auch bei der Enron-Pleite wie beim Babcock-Konkurs zahlten die Düsseldorfer drauf. Schon Anfang des Jahres mussten die Eigentümer der Bank mit einer Kapitalerhöhung unter die Arme greifen.
Es gibt weitere problembehaftete Engagements. Beim Reiseveranstalter TUI werden wegen der Terrorangst und einiger Strukturprobleme weitere Verluste befürchtet. Befürchtet wird Kapitalbedarf, den die WestLB aus eigenen Mitteln nicht befriedigen könnte. Zudem ermittelt die Augsburger Staatsanwaltschaft, ob die WestLB bei der Börseneinführung eines Internet-Start-Up-...

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